Gerichtspressestelle 17. Januar 2001

 

Kampfhundehalter wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Die Große Strafkammer 4 des Landgerichts Hamburg hat heute (17.1.2001) die Angeklagten Ibrahim K. (24 J.) und Silja W. (19 J.) der fahrlässigen Tötung des kleinen Volkan für schuldig befunden. Sie hat den Angeklagten Ibrahim K. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und die Angeklagte Silja W. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Fahrlässige Tötung

Die Jugendkammer ist davon überzeugt, dass sich die Angeklagten der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht haben. Sie hätten pflichtwidrig gehandelt. Sie seien aufgrund behördlicher Anordnungen und der ihnen bekanntgegebenen Hundeverordnung auch im Innenhof der von ihnen bewohnten Häuser verpflichtet gewesen, die Hunde angeleint, mit Maulkorb und jedes Tier einzeln zu führen, weil die Hunde zum Teil nicht gehorcht hätten und es bereits zu verschiedenen Vorfällen des Beißens von anderen Hunden aber auch von Menschen gekommen sei. Die Tötung des Kindes Volkan durch Bisse zumindest eines der Hunde nach Überwinden der Mauer sei für sie vorhersehbar und die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens für sie erkennbar gewesen.

Keine Körperverletzung mit Todesfolge

Die Jugendkammer vermochte bei den Angeklagten aus folgenden Gründen keine (vorsätzliche) Körperverletzung mit Todesfolge festzustellen:

Die Verletzung eines Menschen nach Ableinen der ohne Maulkörbe im Innenhof ausgeführten Hunde sei zwar, wie die Angeklagten gewußt hätten, möglich und nicht ganz fernliegend gewesen. Das allein reiche aber nicht aus. Vielmehr sei für einen bedingten Verletzungsvorsatz erforderlich, dass die Angeklagten im konkreten Fall mit einer Verletzung eines Menschen zumindest in der Weise einverstanden gewesen seien, dass sie sich hiermit abgefunden hätten. Das könne nach der Überzeugung der Kammer nicht festgestellt werden. Eine Gesamtschau aller bedeutsamen Umstände des Tatgeschehens unter Berücksichtigung der Persönlichkeit der Täter führe vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Angeklagten darauf vertraut hätten, es werde nicht zu einer Verletzung eines Menschen kommen. Dafür spreche folgendes:

Strafzumessung

Bei der Strafzumessung hat die Große Strafkammer 4 unter anderem folgende Umstände berücksichtigt:

Ibrahim K.

Bei dem Angeklagten K. sei im Strafrahmen des § 222 StGB von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten nach der Schuld des Angeklagten unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte der Sühne, der Resozialisierung und der Generalprävention geboten.

Angesichts des hohen Ausmaßes der bewußten Fahrlässigkeit und der dieser zugrundeliegenden Haltung sowie des dem Tod des Kindes vorausgehenden großen Leidens und Schmerzes sei die Tat als deutlich überdurchschnittlich zu qualifizieren.

Erschwerend sei vor allem zu berücksichtigen, dass der Angeklagte strafrechtlich bereits erheblich aufgefallen sei, auch wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit der Führung eines Hundes, und dass er wegen unerlaubten Waffenbesitzes unter Bewährung gestanden habe.

Zugunsten des Angeklagten K. sei vor allem zu berücksichtigen, dass er sich mit allen Kräften dafür eingesetzt habe, den Tod des kleinen Volkan zu verhindern, nachdem die Hunde ihm nicht mehr gehorcht und angegriffen hätten. Der Angeklagte K. trauere um den Tod des Volkan. Der Angeklagte K. sei erstmalig nunmehr seit mehr als 6 Monaten in Untersuchungshaft und hierdurch und durch den Gang des medienwirksamen Verfahrens erheblich belastet.

Silja W.

Auf die zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte W. sei wegen erheblicher Verzögerungen in ihrer Reifeentwicklung das Jugendstrafrecht anzuwenden und unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld auf eine Jugendstrafe von einem Jahr zu erkennen.

Hierbei sei berücksichtigt worden, dass das Handeln der Angeklagten W. nach seinem Schwergewicht als Unterlassen der Aufsicht über ihren Hund zu qualifizieren sei, dieses aber nicht als wesentlich geringer als ein positives Tun zu bewerten sei.

Bei der Bewertung als Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 JGG, bei der mit steigendem Alter eines Angeklagten auch die Gesichtspunkte des Schuldausgleiches und der Sühne neben dem Erziehungsprinzip zunehmend Berücksichtigung finden müssten, sei vor allem auf das Maß der persönlichen Schuld, auf die Vorwerfbarkeit der Tat abzustellen. Zwar komme bei Fahrlässigkeitstaten nur ausnahmsweise die Verhängung einer Jugendstrafe in Betracht. Bei dem an der Grenze zum Vorsatz angesiedelten sehr hohen Maß an Fahrlässigkeit der Angeklagten W., die auch auf grober Rücksichtslosigkeit, Achtlosigkeit gegenüber Leib und Leben und einem hohen Maß an Nachlässigkeit und Verdrängung besseren Wissens beruhe, sei bei der eingetretenen schrecklichen Folge nur die Verhängung einer Jugendstrafe geeignet, auch erzieherisch wirksam auf die Angeklagte W. einzuwirken. Zwar sei die Angeklagte W. hoch traumatisiert, einsichtig, reuig und voller Trauer. Sie sei hinsichtlich ihrer Person voll geständig. Sie habe sich als verantwortlich bekannt, die Umstände ihrer Verantwortung benannt und sich von Anfang an einfühlsam mit den Gefühlen des getöteten Kindes und dessen Angehörigen auseinandergesetzt.

Sie müsse aber in ihrer Beziehung zu ihrem Lebensgefährten K. lernen, Selbständigkeit zu erlangen. Sie müsse ihr Leben eigenverantwortlich bestimmen lernen.

Angesichts der inzwischen positiven Entwicklung und der Unbestraftheit der Angeklagten W. habe der Vollzug der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden können, allerdings mit der Auflage, während der Bewährungszeit keine Hunde zu halten.

 

Der Vorsitzende der Jugendkammer sagte in seiner mündlichen Urteilsbegründung: "Das Mitgefühl und die Trauer um das schreckliche Geschehen gilt der Familie des kleinen Volkan. Ein Urteil wird nur in begrenztem Maße das Leid der Familie lindern können."

 

 

 

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