P r e s s e e r k l ä r u n g
der Richterinnen und Richter
des Hanseatischen Oberlandesgerichts
Die Richterinnen und Richter des Hanseatischen Oberlandesgerichts haben in der heutigen Richterversammlung folgende Erklärung einstimmig beschlossen:
Wir teilen die Sorgen und Befürchtungen der Richterschaft des Landgerichts und des Amtsgerichts.
Die Sparpolitik der letzten Jahre hat in weiten Bereichen der Rechtsprechung zu untragbaren Zuständen geführt. Der in der Verfassung, der Menschenrechtskonvention und den Gesetzen garantierte Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf eine zügige und effektive Rechtsprechung kann nicht mehr in der gebotenen Weise gewährleistet werden. Das gilt für die Verfahren beim Landgericht und beim Amtsgericht. Auch beim Hanseatischen Oberlandesgericht ist die Verfahrensdauer in vielen Fällen unangemessen lang. Sie wird sich wegen der erheblichen Zunahme von Verfahren im Jahre 2001 insbesondere in Zivilsachen noch verlängern. Daran ändert auch die angekündigte Errichtung eines "neuen" Zivilsenats nichts. Denn dieser Senat muss aus dem vorhandenen Stellenbestand gebildet werden.
Das Hanseatische Oberlandesgericht wurde bereits im November 1999 wegen überlanger Verfahrensdauer von dem Bundesverfassungsgericht gerügt. In dem Beschluss heißt es klar und unmissverständlich:
"Das Rechtsstaatsprinzip verlangt eine funktionsfähige Rechtspflege. Dazu gehört auch eine angemessene Personalausstattung der Gerichte."
Dieses verfassungsrechtliche Gebot setzt den Einsparungen in der Justiz Grenzen.
Mit Unverständnis haben wir die teilweise abwiegelnden Reaktionen auf die bundesweit einmalige Presseerklärung der Richterinnen und Richter des Landgerichts zur Kenntnis genommen. Denn die Kolleginnen und Kollegen des Landgerichts haben nicht mehr und nicht weniger getan, als die tägliche Realität in der hamburgischen Justiz zu beschreiben.
Unsere Sorge ist, dass wir in allen Instanzen unsere Aufgaben nicht mehr mit der notwendigen Effektivität und Qualität erfüllen können. Wir fordern daher im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ein, dass das Rechtsstaatsprinzip gewahrt und die volle Funktionsfähigkeit der Rechtspflege wieder hergestellt werden. Das ist die Justiz der Bevölkerung schuldig.
Hamburg, den 14. Juni 2001
Für Rückfragen:
Dr. Jürgen Daniels (Zivilsenat) Tel.: 040 - 428 43 3020
Dr. Helmut Büchel (Zivilsenat) Tel.: 040 - 428 43 2025
Albrecht Mentz (Strafsenat) Tel.: 040 - 428 43 3225