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(aus der Stuttgarter Zeitung vom 25.03.06)

Wie überlastet sind die Richter?
 

Zum Deutschen Juristentag im Herbst in Stuttgart werden 3000 Besucher erwartet
 
STUTTGART. Der 66. Deutsche Juristentag wird sich im September in Stuttgart auch mit den Auswirkungen der öffentlichen Sparmaßnahmen auf die Justiz befassen. Schon im Vorfeld werden die konträren Standpunkte von Politik und Praxis deutlich.

Von Stefan Geiger
 

Eine "hinreichende Zahl qualifizierter Richter und Gerichtsbediensteter" wird voraussichtlich der 66. Deutsche Juristentag fordern, der vom 19. bis 22. September in Stuttgart stattfindet. Eine entsprechende Formulierung findet sich bereits im Tagungsprogramm.

Bei der offiziellen Vorstellung des Tagungsprogramms verwies der Präsident des Juristentags, Professor Paul Kirchhof, in diesem Zusammenhang auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das bereits mehrfach überlange Zeiten der Untersuchungshaft kritisiert hat. Kirchhof erinnerte an die Gesetzeslage. Die Untersuchungshaft darf normalerweise nicht länger als sechs Monate dauern. Von diesem Gebot könne der Rechtsstaat nicht abweichen. Gleichzeitig könnten die Richter dieser Forderung oft nicht gerecht werden. In einem vom Verfassungsgericht kritisierten Fall habe die Untersuchungshaft acht Jahre gedauert.

Auch der Präsident des Oberlandesgerichts Eberhard Stilz verwies gestern auf die wachsende Überlastung der Gerichte, die mit weniger Personal immer mehr Arbeit bewältigen müssten. Dagegen meinte der Vizepräsident des Juristentags, der Landesjustizminister Ulrich Goll (FDP), innerhalb der vergangenen zehn Jahre seien in der baden-württembergischen Justiz fünf Prozent der Stellen abgebaut worden. Dies sei kein "sensationeller Wert", zumal die Gerichte gleichzeitig mit modernster Technik ausgestattet worden seien. Goll räumte ein, dass nun eine Grenze bei den Einsparungsmöglichkeiten erreicht sei. Er bezweifelte allerdings, dass mehr Personal tatsächlich in jedem Fall zu einem rascheren Verfahrensabschluss führe.

Die Zielrichtung der Verhandlungen auf dem Juristentag wird bereits in der Formulierung des Themas deutlich. Es lautet: "Gute Rechtsprechung - Ressourcengarantie und Leistungsverpflichtung, Unabhängigkeit der dritten Gewalt, funktionsgerechte Ausstattung". Referenten werden neben anderen der Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem und der durch die aktuellen Tarifverhandlungen bekannt gewordene niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring sein.

In sechs weiteren "Abteilungen" werden in Stuttgart aktuelle Themen unterschiedlicher Rechtsgebiete diskutiert werden. Die Themen dieser Fachabteilungen werden in der Stuttgarter Zeitung seit Februar auf der an jedem ersten Montag im Monat erscheinenden Seite "Recht und Gesellschaft" vorgestellt. Zu der Veranstaltung werden rund 3000 Juristen erwartet.

Der Deutsche Juristentag ist formal ein Verein mit rund 7500 Mitgliedern, der alle zwei Jahre eine entsprechende Veranstaltung durchführt. Dort können alle interessierten Teilnehmer in den einzelnen Abteilungen die zunächst von Gutachtern vorgestellten Fachthemen diskutieren und dann über Beschlussvorschläge abstimmen. In der Praxis ist die Bedeutung des Juristentags, dem die meisten deutschen Spitzenjuristen angehören, erheblich. Die Empfehlungen des Juristentags sind schon häufig Ausgangspunkt für Reformen und neue Gesetze gewesen.

In der Vergangenheit hat sich aber auch gezeigt, dass Interessengruppen versuchen, nachhaltig auf die Meinungsbildung innerhalb des Deutschen Juristentags Einfluss zu nehmen. Traditionell wird dies in der arbeitsrechtlichen Abteilung deutlich, wo die Interessen von Arbeitgebern und Gewerkschaften berührt sind.