Die Juristenkrankheit

Zu den unangenehmsten Krankheiten, von denen ein Jurist befallen werden kann, gehört zweifellos die Robenallergie. Sie ist unheilbar. Das Krankheitsbild: Von einem Tag auf den anderen mag man diesen blöden schwarzen Umhang einfach nicht mehr anziehen.

Wenn es draußen besonders schwül ist, so wie in den vergangenen Tagen, dann verbreitet sich die Robenallergie unter den Juristen seuchenartig. In dieser Kluft schwitzt man nämlich nach Aussagen von Überlebenden noch schlimmer als in einer finnischen Sauna.

Vor kurzem erst hat in Nürnberg ein Rechtsanwalt wieder einmal die Revolution ausgerufen und ist versuchsweise ohne Robe zu einem Prozess angetreten. Es hat ihm wenig gebracht außer einem Anpiff des Richters. Denn ohne Robe macht man sich vor Gericht ungefähr so beliebt, als wenn man vollständig nackt erscheinen würde.

In Deutschland gilt vor Gericht der Robenzwang. Nicht einmal dann, wenn einer sein Kittelchen daheim vergessen hat, darf er darauf verzichten. Er muss sich eine Leihrobe besorgen, die es fast an allen Gerichten gibt. Leider nur in einer mittleren Größe. Korpulentere Anwälte sehen darin etwa aus wie Rotkäppchen, das sich im Wald verirrt hat. Bei sehr kleinen und schlanken Advokaten dagegen gewinnt man den Eindruck, sie hätten sich ein Einmannzelt über den Kopf gestülpt.

Trost für alle Robenhasser kommt ausgerechnet aus England, aus dem Land, in dem die Richter derzeit noch mit Talar, Schnallenschuhen, Bundhosen, Amtsketten und Perücken auftreten müssen. Das sei Unfug, hat der höchste britische Richter vor kurzem verkündet. In angemessener Zeit, so hieß es, müsse das alles verschwinden. Und wenn das ein Oberrichter sagt, dann wird es in angemessener Zeit auch so sein. Also etwa in 100 bis 150 Jahren.

HARALD BAUMER

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