< home RiV >
Zur Selbstverwaltung der Gerichte ein Auszug aus: Dr. Peter Lindemann (PräsLSG aD)
Schlanker Staat und Justiz
ZRP 1999, 200 (204 f.)
...

4. Selbstverwaltung der Gerichte

a) Selbstverwaltung der Dritten Gewalt.

Die Rechtsprechung ist die Dritte Gewalt. Sie sollte sich um ihrer Unabhängigkeit willen selbst verwalten dürfen. Heute wird die Dritte Gewalt von der Exekutive, der Zweiten Gewalt, verwaltet. Dies ist eine Fessel, die die Rechtsprechung letztlich vom Wohlwollen der Ministerien abhängig macht: Alle bekannten Klagen hierüber sind berechtigt. Die Haushaltslage zwingt dazu, die Selbstverwaltungskräfte der Gerichtsbarkeiten zu stärken. Flexibilisierung der Haushaltsfiihrung und die Delegierung der Stellenverwaltung auf die Gerichtsbarkeiten werden die Ministerien immer mehr entmachten. Sie sollten ganz aus der Verantwortung für die Gerichte entlassen werden.

b) Organisation.

Die Selbstverwaltung der Gerichte könnte wie folgt organisiert werden: Die Gerichtsbarkeiten sind nicht der Exekutive, sondern dem Volk (Rechtsprechung "Im Namen des Volkes!"), also dem Parlament verantwortlich. Beim Parlament wird deshalb die "Kanzlei der Gerichte" errichtet. Sie gliedert sich entsprechend den fünf Gerichtsbarkeiten in fünf Abteilungen, denen auf Zeit (sieben Jahre) gewählte Richter vorstehen. Sie wird von einer Person im Range eines Staatssekretärs geleitet.

Die Kanzlei der Gerichte hat die Aufgaben,

Die Gewährleistung der Rechtspflege "im übrigen" ist Sache der Gerichtsbarkeiten selbst. Wie hat man sich das vorzustellen?
  1. Die Richter werden von einem Richterwahlausschuß unter Mitwirkung von Präsidialräten (bei jeder Gerichtsbarkeit einer) berufen und befördert. Dieser wird bei zwölf Mitgliedern so zusammengesetzt, daß Politik und Richterschaft angemessen vertreten sind. Durch qualifizierte Mehrheitsbestimmungen (in den ersten beiden Wahlgängen 2/3-Mehrheit, im dritten Wahlgang absolute Mehrheit) werden ausgewogene Entscheidungen gewährleistet. Die Präsidenten der Gerichtsbarkeiten haben wie bisher das Recht, Vorschläge für Einstellungen und Beförderungen zu machen. Die Präsidialräte behalten ihre gegenwärtige Rechtsstellung. Sie werden durch den Kanzler der Gerichte beteiligt.
  2. Die Rechtspfleger und der nichtrichterliche Dienst werden von den Präsidenten der jeweiligen Gerichtsbarkeit berufen und befördert. Sie beteiligt die Personalvertretung.
  3. Den Präsidien obliegt wie bisher die Geschäftsverteilung innerhalb der Gerichte. Sie werden zusätzlich zuständig für die Verteilung der Rechtspflegeraufgaben. Sofern hierüber zu entscheiden ist, treten Rechtspfleger zum Präsidium hinzu.
  4. Die Präsidenten/der Präsident der Gerichtsbarkeit ist für Bauten und Umbauten (notfalls mit Hilfe der Staatshochbauämter), für die Ausstattung mit Möbeln, EDV und Arbeitsmaterial zuständig.
III. Fazit

Die Auswirkungen von so organisierter Rechtspflege sind erheblich: Die oft mühevollen Erörterungen mir praxisfernen, manchmal beinahe ahnungslosen Angehörigen des Ministeriums entfallen. Die Präsidenten der Gerichtsbarkeiten sind für ihre Gerichtsbarkeit verantwortlich; die Verantwortung gegenüber dem Parlament bar der Kanzler der Gerichte wahrzunehmen. Er tritt an die Stelle der Justizministerien.

Nach der Verwirklichung dieser Vorschläge könnten das Innen- und das Justizministerium zusammengelegt werden. Es würden Ebenen abgeschafft, Zuständigkeiten zusammengeführt, den Gerichtsbarkeiten erhöhte Verantwortung gegeben. Vor allem aber würde ihre Realisierung die Dritte Gewalt von der Exekutive lösen und sie selbständig neben die beiden anderen Gewalten stellen.