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Glosse

Lebenslange Freiheitsstrafe als
"Serviceleistung" oder "Kundendienst"

"Wir haben die Wörter studiert und gemischt wie Drogen. Und nur die besten und allerstärksten verwandt."

Berthold Brecht

Die hamburgische Justizverwaltung schickt sich an, die vorgesehene Eingliederung der Justiz mit einer Art neuartigem Fachjargon zu begleiten.

So sollen die von Justizausübung betroffenen Bürger künftig als "Kunden" gesehen und behandelt werden. Dieser Begriff knüpft zwanglos an polizeiliche Ermittlungsergebnisse an, wie man sie in Referendarstagen las, dort hieß es zuweilen: "D. ist ein alter Kunde."

Auf der anderen Seite war es bisher so, dass dem Begriff "Kunde" eine gewisse Freiwilligkeit innewohnte, obwohl dieses Moment vielen Wirtschaftsführern auch ein Dorn im Auge ist.

Zugegeben werden muss jedoch, dass die Bezeichnung "Kunde" für einen Angeklagten oder die Parteien eines Zivilprozesses etwas Verharmlosendes an sich hat und den Bürger gründlich darüber zu täuschen vermag, dass Justiz nach wie vor staatliche Gewaltausübung ist und als solche keinen Wert darauf legt, dass der "Kunde" ihr treu bleibt.

Auch der jetzt von der Justizverwaltung propagierte Begriff der "Serviceleistung" als Kennzeichen von Justiztätigkeit ist geeignet, den Sachverhalt gründlich zu verdunkeln.

Zwar wird von vielen Wirtschaftskritikern bemäkelt, dass "Serviceleistung" und "Kundendienst" unzureichend seien, dies galt allerdings bisher nicht für die von vielen Bürgern als aufgedrängt empfundenen "Serviceleistungen" und "Kundendienste" der Justiz.

Auch die Bezeichnung der Ergebnisse von Justiztätigkeit als "Produkt" wird nicht den Sinngehalt treffen, den der Bürger diesem Begriff beimisst, Gewährleistungsansprüche und Produzentenhaftung sind nämlich nicht vorgesehen.

Erfrischend auch der für das Justizwesen vorgesehene Begriff "Marketing", wofür auch Marketingspezialisten sich zur Verfügung stellen wollen.

Soll es doch endlich Bedürfnis und Lust für den Bürger sein, die Institutionen der Justiz aufzusuchen, um sich dort von gut geschulten Servicekräften die meist unerwünschten "Produkte" verpassen zu lassen.

Einsame Höhe wird diese Art von Euphemismus erreichen, wenn die Gefängnisse zu "Kundenunterkünften" mutieren.

Reiner Plorin