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Deutscher Richterbund auf Hochglanz
In elegantem Grau/Marine präsentiert sich der Deutsche Richterbund in seiner neuen Broschäre "Ein Portrait". Auf 20 dezent unnumerierten Seiten wird das Bild einer zeitgemäßen, medienorientierten, kontaktfreudigen und effizienten Organisation mit Herz für Menschenrechte und die Dritte Welt gezeichnet. Die Bilderleiste am Kopf des Titels zeigt das Brandenburger Tor – aha, das ist Berlin, der neue Sitz! Daneben das hübsche Haus Kronenstraße 73/74, das der Richterbund als Sitz in der neuen/alten Hauptstadt erworben hat, und vier Bilder, die Vorstand und Personal in Aktion zeigen. Alles in allem eine flotte Selbstdarstellung ohne zuviel textlichen Ballast. Wie belebend doch die neue Hauptstadt auf den guten alten Richterverein wirkt! Das Portrait soll helfen, neue Mitglieder zu gewinnen. Diesen Auftrag wird es erfüllen.

Der Verband sieht seine Aufgabe darin, die Interessen der Justiz im Widerstreit der veröffentlichten Meinungen wahrzunehmen, Richter und Staatsanwälte vor unsachlicher Kritik zu schützen, unmißverständlich Grenzüberschreitungen durch Exekutive und Legislative abzuwehren und konsequent für die Grundprinzipien des Rechtsstaats einzutreten. Wer wollte dazu nicht seine Hand – und seinen Mitgliedsbeitrag - reichen?

Was noch vor 30 Jahren undenkbar gewesen wäre, beschreibt "Das Portrait" als Leitbild für den Deutschen Richterbund:

"Der DRB streitet für das Recht aller Kolleginnen und Kollegen, sich engagiert und in deutlicher Sprache an der öffentlichen Diskussion über politische und gesellschaftlich relevante Themen zu beteiligen. Richter und Staatsanwälte leben und judizieren nicht im politikfreien Raum. Sie können für sich die volle Teilhabe am öffentlichen Diskussions- und Meinungsbildungsprozeß in Anspruch nehmen". Mit diesem ausdrücklichen Bekenntnis zu einer Justiz mit offenen Augen für die gesellschaftlichen Strukturen und Inhalte der "Schönen neuen Welt", in der wir leben und unserer Aufgabe nachgehen, leistet der Deutsche Richterbund die endgültige Entrümpelung des Richterbildes vom "Dogma der Politikferne" , das richterliche Tugenden in ihre Karikatur verkehrte: Rechtstreue wurde zu übersteigertem Positivismus, parteipolitische Neutralität zu Politikferne und Politikblindheit. Diese Haltung war mitursächlich für die Lenkbarkeit der Richter und Staatsanwälte im Nationalsozialismus, "deren rechtsstaatliches Gewissen verkümmert war, weil es von allen politischen Entwicklungen freigehalten worden war, indem die Richter sich dünkelhaft von dem "schmutzigen" politischen Geschäft der Weimarer Demokratie fernhalten zu sollen glaubten".

Es ist noch nicht lange her, daß man unter Kollegen über Meinungsäußerungen der Richter und Staatsanwälte zu politischen Fragen die Nase rümpfte und die Vorstellung zu erzeugen versuchte, sie hätten "blind" zu sein gegenüber dem Umfeld des rein Rechtlichen. Recht kann nur sprechen, wer mitten im Leben und damit auch im politischen (nicht: parteipolitischen) Leben steht, wie Leonardy 1984 schrieb:

"Wir stellen uns als Richter den politisch bewußten, unserem freiheitlichen Rechtsstaat verpflichteten Staatsbürger vor, der in seinem Beruf nach bestem Wissen und Gewissen Recht spricht und nicht Politik betreibt und der in seinem gesellschaftlichen Verhalten diesen freiheitlichen Rechtsstaat mit derselben Selbstverständlichkeit verwirklicht, wie er ihn gegen Gefährdungen und Angriffe verteidigt." Dem ist auch nach 26 Jahren nichts hinzuzufügen. Aus Hamburger Sicht gleichwohl dies: Daß Inhalt und Form politischer Meinungsäußerungen von Richtern und Staatsanwälten in Übereinstimmung mit der Verantwortung ihres Amtes stehen müssen, versteht sich – an sich – von selbst und bedürfte keiner Erwähnung, wenn uns nicht gerade in Hamburg unselige Beispiele übersteigerter Selbstdarstellung und rücksichtsloser Ausnutzung des Ansehens des Amtes zu politischen Zwecken gäbe.

Die Broschüre des Richterbundes weist auch auf die Einbindung unseres Verbandes in die Internationale Richtervereinigung hin, der mehr als 60 Länder angehören. Das Gespräch zwischen unterschiedlichen Rechts- und Kulturkreisen zeigt, daß es nicht nur eine Lösung für ein Problem gibt, sondern auch andere als die eigene plausibel und vertretbar sein kann, vielleicht Vorbild für eigene notwendige Veränderungen. Seit 1990 gibt es auch die Europäische Richtervereinigung als Regionalgruppe, zu deren Aufgaben die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, dem Parlament und dem Europarat gehört. Dies gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Auch in der täglichen Arbeit z.B. des Zivilrichters spielen europarechtliche Fragen eine immer größere Rolle, wie man im Wettbewerbs- und Kartellrecht vielleicht am deutlichstens spürt.

In der kurzen Darstellung der Verbandsgeschichte werden die unrühmlichen Jahre des Richterbundes nicht ausgespart. Im Mai 1933 – freiwillig auf Grund eines Präsidumsbeschlusses – trat der Richterbung kollektiv dem "Bund Nationalsozialistischer Juristen" bei und löste sich am 31.12.1933 formal auf. Nach der Neugründung 1949 setzte eine Zeit des Verdrängens ein – auch in den ersten Protokollen des Hamburgischen Richtervereins nach dem Kriege wird dies deutlich, wie Sie der MHR entnehmen konnten. Helmut Leonardy erst fand in seiner Festrede zur 75. Wiederkehr der Gründung des Deutschen Richterbundes am 5. April 1984 deutliche Worte.

So sind es vielerlei Aspekte, die der Deutsche Richterbund in seinem Heft beleuchtet und damit die Felder seines Engagements für den Berufsstand seiner Mitglieder aufzeigt. Gratulation für die gelungene Selbstdarstellung!

Karin Wiedemann (VRiLG)