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Herr Voscherau kann sich freuen!

Am 22. Dezember 2000 gab Herr Voscherau mit seinem Beitrag in der WELT den Startschuss für eine hitzige Kampagne gegen die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen leitende Krankenhausärzte.

In diesem Artikel, den Herr Voscherau offensichtlich als Privatmann, aber immerhin mit dem Hinweis auf seine Tätigkeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, geschrieben hat, verstieg er sich zu einer Reihe von teilweise abenteuerlichen Vorwürfen gegen die Staatsanwaltschaft. Unter anderem warf er ihr vor, sie ermittle wegen Vorteilsannahme gegen hoch angesehene Ärzte, die lediglich die lobenswerte Absicht gehabt hätten, durch ihre Vortragstätigkeit usw. Drittmittel für die medizinische Forschung zu beschaffen. Dies führte ihn zu der überzogenen Behauptung, die Staatsanwaltschaft versuche, besonders gute Erfüllung der Dienstpflichten dieser Ärzte als Vorteilsannahme zu kriminalisieren. Verbunden war dies mit der fast schon beleidigenden Bewertung, die Staatsanwaltschaft handele hysterisch, sie habe den Weg des geringsten Widerstands gegenüber Sensationsmache gewählt und ihre Entscheidungen seien "grottenschlechte Juristerei". Nach Herrn Voscherau hätte die Vorteilsannahme leitender Krankenhausärzte nur so beurteilt werden dürfen: "Vorteilsnehmer ist doch die Allgemeinheit, sind wir alle, Richter und Staatsanwälte eingeschlossen, die ja auch gelegentlich krank sein sollen. Angeklagt als Vorteilsnehmer wird aber an unser aller Stelle der forschende Kliniker, der die Drittmittel für uns beschafft hat."

Auf diesen Artikel erfolgten heftige Reaktionen der Hamburger Staatsanwaltschaft, die Herr Voscherau damit kommentierte, dass er sich darüber freue, wenn die Staatsanwaltschaft sich ärgere. Im Zuge der gut organisierte Kampagne gegen die Staatsanwaltschaft stimmten danach auch die Hamburger Ärztekammer und diverse - teilweise durch die Ermittlungen selbst betroffene - Ärzte in die Kritik mit ein.

Andererseits gab es in den Medien auch deutliche Gegenstimmen gegen die Äußerungen von Herrn Voscherau. Darin wurde deutlich gemacht, dass Herr Voscherau die Sachverhalte sehr einseitig bewertet habe, indem er die Sachverhalte, die zu den Ermittlungen geführt haben, lediglich auf die Beschaffung von Drittmitteln für Forschungszwecke reduziert habe, ohne zu sehen wollen, dass diese Gelder nicht völlig zweckfrei von Pharmazieunternehmen gezahlt worden seien. Darüber hinaus seien zumindest in einigen Fällen die recht beträchtlichen Summen nur zum Teil für Drittmittel abgeführt, zu einem beträchtlichen Teil aber von den Betroffenen selbst einbehalten worden.

Ich möchte es bei diesen Anmerkungen belassen.

Die ganze Sache hatte für den Hamburgischen Richterverein jedoch noch ein unangenehmes Nachspiel.

Im Zuge der von Herrn Voscherau eingeleiteten Kampagne gegen die Staatsanwaltschaft ist es zu Austritten aus dem Hamburgischen Richterverein gekommen. Offensichtlich deshalb, weil dem Vorstand angelastet wird, hierauf nicht zeitnah reagiert zu haben, haben einige Kollegen der Staatsanwaltschaft ihre Mitgliedschaft aufgekündigt.

Der Vorstand - und das gilt besonders für meine Person, der ich mich für die Belange der Staatsanwaltschaft im Vorstand verantwortlich fühlen - hat tatsächlich nicht richtig reagiert. Wir hätten viele eher aktiv werden müssen, um für die Staatsanwaltschaft in dieser Situation einzutreten. Es gab Gründe für uns, dies zurückgestellt haben; wir waren der Meinung, dass die Angriffe zwar massiv waren, aber die Staatsanwaltschaft selbst ausreichend Gelegenheit hatte, diesen Angriffen entgegenzutreten und im Zuge der Kampagne auch in der Presse Stellungnahmen abgegeben wurden, die geeignet waren, die Staatsanwaltschaft zu entlasten. Dennoch bleibt der Vorwurf, dass wir vom Vorstand des Hamburgischen Richtervereins uns hätten rechtzeitig vor die Staatsanwaltschaft stellen müssen. Diese Gelegenheit haben wir verpasst, und das war ein Fehler, zu dem ich stehe.

Die völlig überraschenden Austritte der beiden Kollegen der Staatsanwaltschaft als Reaktion auf diesen Fehler habe ich mit Betroffenheit zur Kenntnis genommen.

Ich meine, der Vorstand hätte durchaus erwarten können, dass man zuvor an ihn herangetreten wäre, um dem Unmut, der offensichtlich zu den Austritten geführt hat, Ausdruck zu verleihen. Nichts dergleichen ist geschehen! Ohne, dass vorher auch nur der Versuch unternommen worden ist, mit uns Kontakt aufzunehmen, sind die Austritte erfolgt. Sollen damit neue Kommunikationswege für den Richterverein eröffnet werden? Ist das die zukünftige Art der Auseinandersetzung zwischen Vorstand und Mitgliedschaft?

Wenn dem so wäre, könnte ich keinen Tag länger diesem Verein dienen.

Auch in der Vergangenheit ist es vereinzelt zu Austritten von Mitgliedern gekommen, die mit bestimmten Maßnahmen oder Stellungnahmen des Vorstandes nicht einverstanden waren. In der Regel gingen dem Gespräche voraus. Dass wir diese Kollegen nicht von ihrem Austritt abhalten konnten, war für uns bedauerlich, aber immerhin verständlich. Im vorliegenden Fall jedoch hat auch nicht im Ansatz ein Gespräche oder ein Gesprächsversuch mit einem der Vorstandsmitglieder stattgefunden. Quasi aus heiterem Himmel sind die Austritte erfolgt, vielleicht war das auch die Absicht, um uns besonders zu treffen.

Dies wäre - was meine Person angeht - bestens gelungen.

Um es nochmals zu wiederholen, auf die Angriffe von Herrn Voscherau hätte man seitens des Vorstandes des Richtervereins sicherlich früher reagieren müssen. Das ist nicht geschehen, und "diesen Schuh" muss ich mir persönlich anziehen.

Andererseits hätte ich gewünscht, dass die ausgetreten Kollegen vorher den Kontakt mit mir gesucht hätten, um einzufordern, was nach ihrer Meinung in dieser Situation durch den Vorstand hätte getan werden sollen. Es ist sehr bedauerlich, dass es zu solchen Gesprächen erst nach den Austritten gekommen ist.

Ich gehe davon aus, dass diese Art der Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern und Vorstand nicht zur Regel werden wird. Anderenfalls würde ich - wie gesagt - mein Amt sofort zur Verfügung stellen. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir in Zukunft wieder zu der Kommunikationsebene zurückkehren werden, die bisher unsere Vereinsarbeit erfolgreich gemacht hat.

Übrigens, für Herrn Voscherau, den offensichtlich alles freut, was die Justiz ärgert, wäre es höchst erbaulich, zu sehen, welche Fernwirkung seine Aktion im Richterverein ausgelöst hat.

So gibt es wenigstens einen, der dieser Angelegenheit positive Seiten abgewinnen kann!

Johann Meyer