Am 28./29.03.2001 fand in Regensburg die Bundesvorstandssitzung und im Anschluss daran die Bundesvertreter-versammlung statt. Zugleich wurde am Nachmittag des 29.03.2001 die "Assessorentagung" durchgeführt (vgl. hierzu den Bericht des Kollegen Dr. Buhk in dieser Ausgabe).
Der Bundesvorstand hatte wieder ein umfangreiches Programm zu bewältigen. Die Tagesordnung umfasste die Erörterung der Vorschläge zur Änderung des Sanktionenrechts, die ZPO- und StPO-Reform, den Bericht über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen "Selbstverwaltung der Justiz" und "Qualität in der Justiz" sowie eine Darstellung des elektronischen Rechtsverkehrs am Beispiel des Finanzgerichts Hamburg durch den Präsidenten dieses Gerichts Dr. Grotheer sowie (einmal mehr) einen Bericht über die neuesten Tendenzen zur Reform der Juristenausbildung. Ferner stand ein Bericht über Pebb§y auf dem Programm.
Selbstverständlich lag ein umfassender Bericht für die Tätigkeit des Präsidiums in der Zeit von Oktober 1999 bis März 2001 vor, den der Vorsitzende Rainer Voss zum Teil auf Nachfragen aus dem Kreis der Mitglieder des Bundesvorstandes erläuterte.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass der Kauf des Hauses in Berlin, Kronenstraße, schon jetzt wirtschaftlich als die richtige Entscheidung gewertet werden kann, denn die Lage des Hauses verschaffte dem Deutschen Richterbund nicht nur an zentraler Stelle die Möglichkeiten für eine jedenfalls örtlich erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem in der Nähe liegenden Bundesministerium der Justiz, sondern der Erwerb des Hauses stellt auch schon jetzt eine sinnvolle Kapitalanlage dar, weil die nicht vom Deutschen Richterbund genutzten Räume langfristig gut vermietet sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals allen Mitgliedern danken, dass sie durch ihre Sonderumlage die finanzielle Grundvoraussetzung für die Umsetzung des vom Präsidium beschlossenen Ankaufs des Hauses geschaffen hatten.
Geert Mackenroth, Präsident des Landgerichts Itzehoe, gab einen Überblick über den bisherigen Stand des Projektes Pebb§y, an dem auch Gerichte in Hamburg beteiligt sind (so z.B. das Landgericht Hamburg und das Amtsgericht Harburg). Die Bedeutung dieser Untersuchung für die umfassende und richtige Bewertung der richterlichen Tätigkeit und des sonstigen Arbeitseinsatzes in Bezug auf die Aktenbearbeitung und Erledigung der weiteren Aufgaben im Rahmen unseres Berufsalltages wurde von allen Rednern hervorgehoben, die die beteiligten Kolleginnen und Kollegen in diesem Zusammenhang dringend baten, durch eine sorgfältige und genaue Ausfüllung der Verfahrens- und Geschäftsbögen eine sachgerechte fundierte Grundlage für die Arbeitsbewertung zu schaffen.
In Nordrhein-Westfalen hat sich eine eigene Arbeitsgruppe zur Auswertung der Untersuchungsergebnisse zusammengefunden. Dieser Bericht wird dem Deutschen Richterbund zur Verfügung gestellt werden. Wir dürfen alle gespannt auf die Ergebnisse des gesamten Projekts sein.
Staatssekretär Netzer aus dem Bundesministerium der Justiz gab einen Überblick über den letzten Stand der ZPO-Reform und schilderte insbesondere die im Laufe der vergangenen Monate aufgrund eingegangener Stellungnahmen vorgenommenen Änderungen und die nunmehr vorgesehene Experimentierklausel, die den Ländern die Möglichkeit eröffnen soll, eine Verlagerung der Berufungssachen vom Landgericht auf das Oberlandesgericht vorzunehmen. Dem Vernehmen nach, so teilte er mit, hätten die Länder Sachsen-Anhalt, Hamburg und Niedersachsen ihre Bereitschaft zur Umsetzung der Experimentierklausel signalisiert
(Anmerkung: Der Hamburgische Richterverein wird nach der Sommerpause voraussichtlich eine Podiumsdiskussion veranstalten, die sich mit den Problemen befassen soll, die sich aus der Umsetzung dieser Experimentierklausel ergeben könnten; Frau Senatorin Dr. Peschel-Gutzeit hat bereits freundlicherweise grundsätzlich ihre Teilnahme zugesagt).
Zum Abschluss des Themas "ZPO-Reform" fasste der Bundesvorstand folgenden Beschluss:
"Der Deutsche Richterbund stellt fest, dass das BMJ zahlreichen Anregungen aus der Praxis zur Änderung des Regierungsentwurfs nachgekommen ist.
Trotz Einwendungen gegen Einzelvorschriften in der ZPO ist der DRB der Auffassung, dass die Praxis mit diesem Entwurf arbeiten kann. Dabei geht er davon aus, dass dem erhöhten Personalaufwand in der ersten Instanz eine entsprechende Personalvermehrung dort gegenüber steht.
Der DRB begrüßt, dass im Wege einer Experimentierklausel Erkenntnisse darüber gewonnen werden sollen, ob die zunächst beabsichtigte flächendeckende Verlagerung der Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte zum OLG eine Verbesserung des Verfahrens für den Rechtsuchenden bewirkt."
Staatssekretär Netzer berichtete sodann über den aktuellen Stand der Pläne zur StPO-Reform. In diesem Zusammenhang ist als besonders wichtig für die Praxis mitzuteilen, dass es Überlegungen gibt, die Frist für die Unterbrechung der Hauptverhandlung auszudehnen. Eine Einschränkung des Beweisantragsrechts ist nach seinen Worten allerdings nicht beabsichtigt.
Der Bundesvorstand erörterte ausführlich und zum Teil kontrovers die vom Präsidium vorgelegte Stellungnahme zur Reform des Sanktionenrechts. Hierzu wurde abschließend eine Stellungnahme beschlossen. Wer sich für die Einzelheiten dieser Beschlussvorlage interessiert, möge sich wegen des Textes an mich wenden.
Im Anschluss an die Sitzung des Bundesvorstandes fand die Bundesvertreterversammlung statt, in der ebenfalls eine umfangreiche Tagesordnung abzuhandeln war. Teilweise ging es dabei um Fragen, die bereits zuvor den Bundesvorstand beschäftigt hatten.
Hervorzuheben ist jedoch insbesondere, dass die Bundesvertreterversammlung diesmal aufgerufen war, einen neuen Vorsitzenden zu wählen, nachdem der langjährige Vorsitzende Rainer Voss sich nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügung gestellt hatte. Gewählt wurde mit einer überwältigenden Mehrheit Geert Mackenroth, Präsident des Landgerichts Itzehoe, und seit einigen Jahren bereits stellvertretender Vorsitzender.
Rainer Voss hatte neun Jahre lang als Vorsitzender den Deutschen Richterbund geleitet und durch seine ruhige, besonnene, stets aber engagierte Art sich nachhaltig und überaus erfolgreich für die Belange der Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Richterbund eingesetzt.
Rainer Voss, seit 1988 Vorsitzender einer Zivilkammer am Landgericht Düsseldorf, hatte bereits seit 1973 Aufgaben im Deutschen Richterbund wahrgenommen und war schon von 1980 - 1992 stellvertretender Vorsitzender des DRB. Hervorzuheben ist aber auch das internationale Engagement von Rainer Voss, der sich durch die Gründung der Kolumbien-Hilfe um die Unterstützung verfolgter Kollegen und Kolleginnen sowie deren Familien verdient gemacht hat. Dieses Engagement war nur ein Teil der international ausgerichteten Tätigkeit von Rainer Voss, der sich in verschiedenen Positionen, zuletzt als Präsident der internationalen Richtervereinigung und als Mitglied im Kuratorium der Stiftung "Justice for the World" engagiert hat.
Der neue Vorsitzende Geert Mackenroth ist ein vielseitiges juristisches "Nordlicht", geboren 1950 in Kiel, seit 1975 in der Justiz tätig, und zwar zunächst als Staatsanwalt in Bremen, sodann als Richter in Schleswig-Holstein und nunmehr seit Januar 2000 als Präsident des Landgerichts Itzehoe. Geert Mackenroth verfügt über umfassende Erfahrungen in der Verbandstätigkeit, denn er ist bereits seit 1994 Mitglied im Vorstand des Deutschen Richterbundes und seit 1999 stellvertretender Vorsitzender. Von 1995 - 2000 war Geert Mackenroth zudem Vorsitzender des Hauptrichterrates beim Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein. Dies ist die höchste Personalvertretung der Richter und Staatsanwälte auf Landesebene. Zur Person von Geert Mackenroth ist als wichtige Ergänzung nachzutragen, dass er verheiratet ist und vier Kinder hat.
Der Hamburgische Richterverein möchte an dieser Stelle zum einen Rainer Voss für seine langjährige aufopfernde Tätigkeit im Rahmen des Deutschen Richterbundes danken, zum anderen Geert Mackenroth für die neuen Aufgaben alles Gute, eine glückliche Hand bei der Bewältigung der sicherlich nicht oft einfachen Probleme und insgesamt viel Erfolg für diese wichtige Tätigkeit mit ihren vielfältigen Aufgaben.
Am 16. Mai 2001 fanden die herausragenden Leistungen von Rainer Voss in einer Abschiedsfeier, die der Deutsche Richterbund zu seinen Ehren im Berliner Opernpalais veranstaltete, eine angemessene Würdigung, die durch die Anwesenheit einer Vielzahl namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Justiz, befreundeten Verbänden und der Presse bekräftigt wurde. Als besondere Gabe stellte Geert Mackenroth in einer kunstvollen und doch zugleich launigen Rede das "Liber Amicorum Rainer Voss" vor, in dem fast 30 Autoren aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu Ehren von Rainer Voss mit nachlesens- und nachdenkenswerte Beiträge mit vielfältigen Themen veröffentlicht haben. Nicht zuletzt dank der Hilfe des Heymanns Verlages ist es nicht nur ein inhaltsreiches, sondern auch ein schönes Buch geworden.
Inga Schmidt-Syaßen