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Die Schweden in
Hamburg

Seit 1983 hält der Hamburgische Richterverein nun schon auf Initiative von zunächst PräsLG a.D. Dr. Roland Makowka und zusätzlich seit 1990 Dr. Klaus Wille regelmäßige Kontakte zu unseren skandinavischen Kolleginnen und Kollegen. Viele Reisen in beide Richtungen hat es in dieser langen Zeit gegeben, Gastgeber und Gäste blieben die alten oder es kamen, wie auch dieses Mal, neue hinzu, aber immer war es instruktiv und hat vor allem Spaß gemacht. Die Schweden brachten in diesem Jahr sogar zwei Referendarinnen mit; das sollten wir ihnen vielleicht nachmachen.

Die Vorhut der Gäste aus Stockholm traf am Sonntag (13.5.) in Hamburg ein. Am Vormittag des 14.5. besuchten sie Strafverhandlungen: die einen beim Jugendgericht unter Vorsitz von Herrn Stegmann; für die anderen hatte Herr Kawlath und die Kleine Strafkammer 10 eigens für die Schweden eine rechtlich interessante zweitinstanzliche Sache angesetzt. Zum Mittagessen versammelten sich Gäste und Gastgeber in der Kantine des OLG . Unsere Vereinsvorsitzende, Frau Dr. Schmidt-Syaßen, begrüßte die Gäste und servierte zum Nachtisch Kaffee und Kuchen.

Anschließend ging es zu den Staatsanwaltschaften, wo wir von Frau Generalstaatsanwältin Uhlig-van Buren und Herrn LOStA Köhnke begrüßt wurden. Herr Köhnke referierte über die Neuorganisation der landgerichtlichen Staatsanwaltschaft und die flächendeckende Computerisierung. Hier sind die Schweden noch nicht so weit wie wir, haben dafür aber auch noch ein paar Probleme weniger.

Am Dienstag (15.5.) folgten wir einer Einladung des Springer-Verlags. Frau Carina Hesse aus der Rechtsabteilung des Unternehmens sprach über "Presse und Persönlichkeitsschutz". Bei aller juristischen Prägnanz und Kompetenz ließ die launige Referentin auch Entspannungsübungen zu, etwa bei ihren Ausführungen zu der Frage, ob auf dem Bildzeitungsfoto vom türkischen Expo-Pavillon der Balken, der Prügelprinzens Schlimmstes verdeckte, nun zu dick oder zu dünn oder gar überflüssig war. Anschließend bat Frau Hesse zu Tisch, die Kantine (sic!) servierte frischen Spargel, und als dann noch Wein ausgeschenkt wurde, zogen wir Vergleiche zu den Kantinen des öffentlichen Dienstes. Nachmittags hatten die Gäste (und wir) frei.

Der Besuch einer Verhandlung bei der Pressekammer unter Vorsitz von Herrn Gärtner am 16. 5. schloss an den Besuch beim Springer-Verlag an. Unsere Gäste waren, wie auch schon bei den Strafverhandlungen, positiv beeindruckt davon, wie locker es vor deutschen Gerichten zugehen kann.

Mittags traf der Rest der Schweden aus Lund oder Malmö ein, und wenige Stunden später ging es zu Frau Professor Dr. König in die Bucerius Law School. Frau König, die etliche von uns noch aus ihrer früheren Tätigkeit beim Landgericht Hamburg kennen, musste sich ähnlichen Fragen von Seiten unserer schwedischen Gäste stellen wie schon Wochen zuvor bei der sehr gut besuchten Vorstellung dieser privaten Hochschule von Seiten der Hamburger Juristen.

Abends hatte unsere Kollegin vom OLG, Frau Ziesing, zum großen Begrüßungsfest in ihr Haus nach Othmarschen geladen. Herzlich wurden nicht nur die Schweden, sondern auch Frau VPräs´inOLG Nöhre und Frau Präs´inLG Görres-Ohde und vor allem der alte Ehrenschwede Roland Makowka willkommen geheißen. Zu vorgerückter Stunde kamen Schnapsflaschen auf die Tische, zu denen Vertreter schwedischer Staatsanwaltschaften Trinklieder sangen (dazu unten mehr). Wir danken Lore Ziesing für diesen ersten Höhepunkt des Schwedenbesuches herzlich; denn auch wenn alle Gastgeber selbstgezauberte Salate und Platten und mannigfach Süßes mitgebracht hatten, so hatte sie und ihre Familie doch die Hauptlast des Festes zu tragen.

Am 17.5. stand der Besuch des Seegerichtshofes auf dem Programm. Hier führte uns der holländische Kollege van Deyk, Verwaltungsleiter dieser internationalen Einrichtung. Der Seegerichtshof ist, woran immer wieder erinnert werden soll, nicht nur für Schifffahrtssachen zuständig, sondern auch für alle Streitigkeiten in der Luftsäule über den internationalen Gewässern und für den Raum unter dem Meeresspiegel, etwa über Fischfang und Ölbohrungen. Die gesamte Anlage der Einrichtung mit Park und Elbblick ist wirklich beeindruckend; allgemein kamen aber auch leichte Zweifel an der Berechtigung des außerordentlichen Aufwandes, der hier in jeder Hinsicht getrieben worden ist und noch betrieben wird, bei uns auf. Der Richterverein plant für die Kollegenschaft eine erneute Besichtigung, die Teilnahme sei empfohlen. Nach dem Besuch des Seegerichtshofes gab es ein Picknick im Jenischpark, Lore Ziesing hatte zum Restevertilgen gebeten.

Nachmittags versammelten wir uns im OLG, wo uns PräsOLG Rapp die neue Gerichtsmanagerin, Frau Grubert, eine Richterin, vorstellte, die uns von ihrer Tätigkeit berichtete; Parallelen zum Referat von Herrn Köhnke waren deutlich. Die anschließende kurze Besichtigung des Gebäudes mit Präsidentensaal und Bibliothek stieß auf großes Interesse. Die große Gruppe der schwedischen Staatsanwälte diskutierte dann noch mit Frau Korth und dem Verfasser Unterschiede in den jeweiligen Verfahrensordnungen. Wir stellten fest, dass der schwedische Staatsanwalt im Hauptverfahren eine viel aktivere Rolle als bei uns spielt, weshalb zwei der jüngeren schwedischen Kolleginnen/Kollegen schon vom Richter- in das Staatsanwaltsamt gewechselt waren. Der Abend war dem Besuch des dramatischen Stummfilms "Faust" (Friedrich W. Murnau, 1926) mit Orchesterbegleitung in der Musikhalle gewidmet.

Einem Ausflug in Hamburgs schöne Umgebung am 18.5. konnten wir mit dem Streit um die Wakenitzquerung der A 20 einen interessanten juristischen Bezug verleihen. Nachdem uns Professor Dr. Dr. Berkemann vom Bundesverwaltungsgericht, früher in der Hamburger Justiz tätig, noch in Hamburg einen einleitenden Vortrag insbesondere zu den europarechtlichen Problemen gehalten hatte, fuhren wir mit dem Bus nach Lübeck, wo wir für die Schiffsfahrt auf der Wakenitz von den Herren Dr. Fähser, Leiter der Forstverwaltung Lübeck- Stadtwald, und Dr. Mecklenburg, Physiker, Rechtsreferendar und Vertreter der klagenden Bürgerinitiative, erwartet wurden. Beide Herren referierten, für unsere Schweden in englischer Sprache, sehr aufschlussreich und auch lokalpolitische Querelen nicht auslassend, über die vielen rechtlichen und tatsächlichen Fragen des Autobahnbaus. Der anschließende Besuch des Ratzeburger Domes diente dann wieder der Erbauung und Erholung.

Und dann ging es zum großen Abschlussfest nach Göldenitz nahe dem Elbe-Lübeck-Kanal zu Kathrin Bühring-Uhle-Lehmann und Gerd Schaberg. Da sich nicht nur die Tische bogen, sondern auch die Becher kreisten, stieg die Stimmung schnell. Die Schweden griffen alsbald zur Gitarre und schmetterten wieder ihre Trink- und Liebeslieder; hierbei konnte Deutschland nicht zurückstehen, und es folgte ein internationaler Wett- und Wechselgesang; textliche Probleme wurde locker überspielt, stimmliche oder melodische ignoriert. Den beiden Gastgebern sei hier nochmals herzlich gedankt.

Am Samstag begaben sich die meisten Schweden wieder auf den Heimweg; einige machten noch Ausflüge mit ihren Gastgebern und fuhren erst am Sonntag zurück.

Im Hause des Gastgebers und Finanzrichters Dr. Kauffmann und seiner Frau fand am 7.6.2001 bei leckeren Kanapees und badischem Wein die Nachfeier statt. Auch wenn ausnahmsweise nicht gesungen wurde, verbrachten wir einen sehr netten Abend.

Allen Gastgebern, Klaus Wille und allen anderen Mithelfern sei hier nochmals gedankt.

Die Summe unserer Besuchserfahrungen lautet: Wir fahren in 2 Jahren (wieder) nach Schweden! Und dann werden wir vorher unsere Kenntnisse im deutschen Liedgut aufpolieren.

Dabei sei zugleich angemerkt: Die baltischen Länder, die derzeit stark in die Europäische Union streben, ihr Rechtssystem neu ordnen und deshalb auch sehr an unserem System interessiert sind, könnten auch ein Reiseziel sein. Wer dabei mitorganisieren will, melde sich beim Richterverein.

Udo Löhr