Kuratel und
Subventionen:
Meinungsfreiheit so und anders.
I.
Anfang April letzten Jahres bekam ich – wie auch sonst zuweilen aus durchaus unterschiedlichen Quellen - unbestellte Ware ins Haus geschickt: einen freundlichen (offensichtlich standardisierten) Brief des Chefredakteurs vorweg und dann in längerer Folge zahlreiche Ausgaben seiner Berliner Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF). Durch gewisse Meldungen und Hinweise vorweg „sensibilisiert“, warf ich dann auf die nach und nach eintrudelnden Zeitungen zwei durchaus skeptische Augen. Natürlich wusste ich, dass mir keine Wiedergeburten des NS-Kampfrufs ins Haus zu gelangen drohten, dessen Machart und Gesinnung mir aus meinem letzten großen Verfahren vor der Hamburger Staatschutzkammer[1] in böser Erinnerung geblieben war. Ich glaubte das nicht nur deshalb nicht, weil die einschlägigen, auch der Presse genau bekannten deutschen[2] Strafvorschriften jede Propagierung von Nazismus, Antisemitismus, Fremden- und Rassenhass udgl. schon im Vorfeld unter schweres Sperrfeuer nehmen. Aber just dieser rechtlichen Risiken wegen gibt es hier inzwischen natürlich subtilere Propagandamethoden. Indessen hatte ich mich jahrzehntelang darauf trainiert, zwischen den Zeilen zu lesen und jeden Unrat schon an seiner Geruchsspur zu erschnuppern, so dass ich mir sicher war, gegebenenfalls auch verschleierte und versteckte Indizien zu finden.
II.
1.
Eine der ersten Sendungen enthielt das später so folgenreiche – letztlich bis zum Möllemann-Sturz fortwirkende - JF-Interview mit Karsli[3].
Konnte es überhaupt ein besseres Indiz für den bösen Verdacht geben ?
Aber langsam - und Schritt für Schritt:
Das Interview beginnt mit Karslis Entschuldigung wegen des (früher einmal von ihm verwandten) Ausdrucks „Nazimethoden“ für Scharons Verfahren mit den Palästinensern, mündet dann aber in eine durchaus scharfe Kritik am israelischen Ministerpräsidenten und seiner Politik. Indessen muss als Fazit gelten, dass dieses Interview, zumal auch die redaktionellen Fragen, ebenso gut in der taz, FAZ, jeder anderen Zeitung, im Spiegel oder Focus hätten stehen können. ...
In der Folgezeit wurde dann auch in der JF die allenthalben lang und breit abgehandelte Affäre Karsli / Möllemann / Friedmann / Zentralrat / Westerwelle / FDP usw. aufgegriffen und kommentiert. Wie mir - zunächst zu meiner Überraschung - schien: gründlicher und sorgsamer analysierend als sonst üblich, zumal in Funk und Fernsehen, wo es dazu fast nichts als immer gleiche Redensarten, Empörungsausbrüche, Betroffenheitsbekundungen und schiefe Gemeinplätzen zu hören und zu sehen gab.
Dabei war der Sachverhalt einfach - zugleich aber derart, dass er an Grundsätze rührt:
Wir haben mittlerweile rund drei Millionen Muslime im Land, die im rechtlichen Sinne Mitbürger geworden sind (wie Karsli) oder zur Vermeidung von Diskriminierung jedenfalls so genannt werden, dann aber möglichst bald wirkliche Mitbürger werden sollen: Die Grünen sind stolz darauf, diesen Prozess maßgeblich voranzutreiben. Die proklamierte Integration darf danach beileibe nicht zu einer (angeblich) fragwürdigen Assimilation (Angleichung) werden; deshalb kann und will man die neuen Mitbürger nicht ihrer eigenen Tradition, Religion, Kultur, Geschichte, Sozialisation, Emotionalität usw. berauben: diese Ingredienzien, so heißt es, können uns nur bereichern. Nun kann man sich Art und Inhalt solcher Bereicherungen nicht beliebig aussuchen: Oder gibt es wirklich Gründe, sich über die Bereicherung der politischen Diskussion zu wundern, die Karsli nun beisteuert? Seine Sicht und Bewertung des Nahost-Konflikts ist für einen Bürger syrisch-muslimischer Herkunft und Prägung beinahe unausweichlich vorgezeichnet. Dass gerade die Grünen eine geistige Multikultur dieser Art (vielleicht mit Recht: aber darum geht es jetzt nicht!) nicht respektieren und ihren Vertreter aus ihrer Gemeinschaft hinausdrängen wollten, war für Karsli unbegreiflich – ein immerhin begreifliches Nichtbegreifen!
Das alles - die Dialektik des Objekts - wurde in der JF ohne falsche Töne zur Sprache gebracht, aber eben nicht verschwiegen – im Unterschied zum üblichen Tenor und Gehalt des sonstigen Medienbetriebs[4].
2.
Als nächster Akt folgt das noch allseits geläufige Theater der FDP, das deshalb keiner Nacherzählung bedarf, nur eines kurzen Resumees:
Möllemann hatte sich darauf kapriziert, FDP-Wähler speziell im Teich der deutschen Muslime zu fischen mit Hilfe eines Köders, auf den diese Fische anzubeißen versprachen, was auch seine Liaison mit Karsli erklärt. Cosi fan tutte: Wer macht es denn im Grundsatz anders in der modernen kundenorientierten Demokratie? Unsere frühere Justizministerin hatte es damit – auf die ihr eigene Weise – etwas gar zu weit getrieben und gehen müssen; ihr Chef aber war - in seiner Art - beim Stimmenfang kaum zimperlicher gewesen; und auch niemand sonst konnte oder kann sich dem Zwang zu solchen Anpassungsleistungen ganz entziehen.
So fragt sich, ob Möllemann dabei solche Grenzen überschritten hat, die selbst in diesem von Natur aus robusten Geschäft nicht verletzt werden dürfen:
Ihm war bekanntlich landauf, landab, auch von seinen eigenen Parteifreunden, bei denen er als kräftige Wahllokomotive sonst in hoher Gunst stand, der Vorwurf des Antisemitismus gemacht worden: immer lauter und spezieller mit der reichlich flachen Begründung, er habe den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden M. Friedmann unziemlich angerempelt[5], ein Vorwurf, der ihm (nachdem die FDP kurz vor der Bundestagswahl diese Kuh zunächst mit Ach und Krach vom Eise geholt hatte) nach dem allgemeinen Bekanntwerden seines ominösen “flyers“[6] später den Hals brechen sollte.
Die Angelegenheit, die hier nicht aufzuwärmen ist, verlief emotional weit über- und intellektuell tief unterbelichtet[7]. Sie hätte antisemitischen Redakteuren sicherlich Stoff für hämische oder gemeine Glossen liefern können. Lässt man Revue passieren, was (meiner Erinnerung nach) seinerzeit in der JF darüber zu lesen war, dann ließe sich weder in Berichten noch Kommentaren dergleichen finden. Was dort dazu stand, war allerdings durchweg interessanter, also lesenswerter als das damals Übliche[8] - was allenfalls Anerkennung, aber kein Verdammungsurteil rechtfertigen würde.
3.
Das Thema ist nun etwas ausgeufert. Der weitere Zwischenschritt soll rascher gehen:
In der JF werden die unterschiedlichsten Themen – Untertitel: Wochenzeitung für Politik und Kultur ! - in Bericht, Analyse, Besprechung. Kommentar, Glosse, Gastkolumne, Interview, im „pro und contra“ usw. dargestellt, abgehandelt und beleuchtet, aus unterschiedlichen Federn, durchweg (nicht ausnahmslos) mit einer redaktionellen Tendenz, die man als konservativ zu bezeichnen sich angewöhnt hat, wobei es zuweilen schwer ist zu entscheiden, welcher Generalbegriff zutrifft, ob man z.B. die in der Regel positive Einstellung zur Ökologie und die negative zur Globalisierung konservativ, progressiv oder besser sonst wie nennen sollte. Nicht alles ist Gold, was glänzt; und es glänzt auch nicht alles.
Sollte ich bislang den Eindruck erweckt haben, ich wolle hier das Loblied der JF singen, müsste ich den jetzt zurecht rücken. Aber ich will die Zeit meiner Leser und den Platz der MHR nicht dafür in Anspruch nehmen, ihnen meine Zensurgebung vorzuführen und mitzuteilen, was alles in der Zeitung ich für gelungen oder misslungen, gut oder schlecht, interessant oder langweilig, diskutabel oder indiskutabel, bedenklich oder unbedenklich hielt oder halte, was mir gelegentlich auf die Nerven gefallen ist, und welche Gründe ich für all’ diese Urteile anzuführen hätte. Ich habe im Laufe meines Lebens Tonnen von Zeitungspapier konsumiert: ein Jahrzehnt lang den SPIEGEL im Abonnement, dann die ZEIT, gelegentlich die taz, die FAZ, die Jüdische Allgemeine Zeitung, Hamburger Presseprodukte und vieles, vieles andere mehr - mit Zustimmung oder Stirnrunzeln. Ich habe Zuschriften gelesen und selbst welche fabriziert, habe zur Freude oder zum Kummer diverser Redaktionen deren Papier bestellt und abbestellt, bin auch in eine staatstragende Partei ein- und aus ihr wieder ausgetreten. ... So ist das Leben: der eine schreibt, was er will; der andere sucht sich aus, was ihn anspricht oder interessiert, solange er Lust dazu hat; und so soll das Leben wohl auch sein, soll die Gesellschaft insgesamt funktionieren. Es wäre viel zu bombastisch, eigens Art. 5 GG („ ...seine Meinung in Wort und Schrift frei zu äußern ... und sich ... ungehindert zu unterrichten ... eine Zensur findet nicht statt“) dafür zu bemühen oder die erhabenen Worte des BVerfG über Geistesfreiheit, Meinungskampf, Demokratie usw. All’ dies ist von derart banaler Selbstverständlichkeit, dass jedes weitere Wort eines zuviel ist – oder eigentlich sein sollte.
III.
Davon, dass ich selbst mich anfangs an Warnungen erinnert und gegenüber der JF vorsichtiges Misstrauen für angezeigt gehalten hatte, war eingangs die Rede. Dann war ich dort schon bald auf einen – von vielen, auch bekannten Juristen unterzeichneten - „Appell für die Pressefreiheit“ gestoßen und auch auf das Bild des früheren Generalbundesanwalts Alexander von Stahl[9] neben dem Satz: “Ich lese gern eine unabhängige Zeitung“, und hatte die Mitteilung gefunden, dass die JF seit 1995 im Verfassungsschutzbericht von NRW als verdächtiges, unter Beobachtung stehendes Presseorgan geführt werde, diese Praxis vom VG Düsseldorf mit Urteil vom Februar 1997 für rechtens erklärt und die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde mehr als vier (!) Jahre später vom OVG verworfen worden sei, wogegen seither in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde anhängig sei, deren Vertretung der o.g. ehemalige GenBA übernommen habe[10].
Nun wollte ich allerdings dahinterkommen, was es mit den Vorwürfen auf sich hatte. Ich ließ mir die Verfassungsschutzberichte NRW der Jahre 2000 und 2001[11] kommen, in denen die JF unter „Neue Rechte“ auf S. 121 – 130 bzw. 127 – 133 abgehandelt wird. Leider bezieht sich auch der zweite (auffällig knappe) Bericht 2001 naturgemäß auf Ausgaben, die ich selbst nie in der Hand gehabt hatte, weil ihre Daten vor meiner Zeit liegen. Indessen zeigt sich die Dürftigkeit des Belastungsmaterials schon in der Schlüssigkeitsprüfung. Der verquollene Absatz (aaO. S.128): „Bei der Berichterstattung der JF über tagespolitische Aktualitäten ... liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf der Deutschlandpolitik. Begriffe wie „Nationale Identität“ oder „Multikulturelle Gesellschaft“ werden im Zusammenhang mit Themen der allgemeinen politischen Diskussion (zum Beispiel Globalisierung, Zuwanderung) so eingebracht, dass sich auch Rechtsextremisten der unterschiedlichsten Schattierungen mit ihrem jeweiligen rechtsextremistischen Gedankengut wiederfinden“, scheint mir für diese Art von Analyse insgesamt typisch zu sein, die fast ohne die Mitteilung literarischer Belegtexte auskommt, dafür auf Wertungen und unüberprüfbaren Zuschreibungen umso bedenkenloser zurückgreift – im Stil volkspädagogischer Traktate, die mir ebenso vertraut wie zuwider sind[12]. Vermutlich würden die Berichtsverfasser auch vor manchem literarischen Produkt, das ich selbst im Laufe der Jahre in den MHR, der NJW oder sonst wo in Umlauf gesetzt habe, ihre warnende Verdachtstafel in den Boden rammen. ...
Das Urteil des VG Düsseldorf
vom 14.2.1997[13],
das die Verdachtserklärung gegen die JF in den Verfassungsschutzberichten 1994
und 1995 für rechtens erklärt, verfährt gründlicher als die Behörde in den
späteren Ausgaben d.J. 2000 und 2001, indem es wesentlich mehr Stoff
teils referiert, teils zitiert – aus damaligen Zeitungen. Ich stehe nicht
an zu bemerken, dass ich einiges von dem, was ich dort finde (ohne die Zitate
überprüfen und einordnen zu können), für geschmacklos halte, anderes für mehr
oder minder grob versimpelnd, wieder anderes für schlicht missbilligenswert.
Nicht wenige weitere Beanstandungen erscheint mir dann allerdings als
unschlüssig, hergesucht und in der rechtlichen Subsumtion fragwürdig. Jedenfalls
- um nur dies zu sagen - liegt das Niveau der Zeitung, die ich i.J. 2002
erstmals vor Augen bekam, ungleich höher als offenbar das alte[14].
So ist der gegenwärtige[15]
Versuch des Innenministers von NRW, den geistigen und politischen Meinungskampf
unserer Tage hoheitlich zu gängeln, eine unliebsame Presse anzuprangern[16],
ihr eine bestimmte (korrekte) Sprache zu oktroyieren oder die ihre
zu verbieten, Themen zur Erörterung zuzulassen oder zu sperren, ein Missbrauch
staatlicher Macht, eine Verletzung seiner Neutralität und ein Bruch des
Art. 5 GG.
IV.
Gehört das alles aber in die MHR? Ich wäre überrascht, wenn mein Plädoyer: Freiheit auch für JF! nicht auch energischen Widerspruch fände; ich hoffe es sogar. Erst Rede und Gegenrede bringen ein Problem zur nötigen Klärung. Aber just deshalb darf weder die eine noch die andere Seite es sich gefallen lassen, gegängelt, bevormundet, verteufelt – oder aber sozusagen von hoher Hand subventioniert[17] zu werden. Dieses Eintreten für Freiheit und Unabhängigkeit von Wort und Schrift – bis an die Grenzen, welche allein das Recht setzt, nicht aber eine mediokre Behörde – ist ein eiserner Grundsatz, den unsere Mitteilungen seit eh und je hoch halten, und auf den sie, wenn immer es zum Schwure kommt, im fremden und eigenen Interesse unerbittlich pochen.
Günter Bertram
[1] Strafverfahren gegen Gary Rex Lauck (627 Kls 7/96). Das Urteil vom 22.8.1996 erkannte wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhass, Verbreitung von Propagandamitteln und der Verwendung von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation auf vier Jahre Freiheitsstrafe.
[2] Lauck als US-Bürger hatte die dort schrankenlose Pressefreiheit für Produktion und Versand seiner Postille ausgenutzt, später aber nicht mit dem Pech gerechnet, von Dänemark ins viel strengere Deutschland: in unsere UHA verschubt zu werden.
[3]
JF 19/o2 vom 3.5.2002 S. 4: „Fischer
hat die Grünen verraten - Parteien: Interview mit dem Ex-Grünen
Landtagsabgeordneten Jamal Karsli, der zur FDP
überwechseln will “.
Karsli, 1956 in Syrien geboren, später Ingenieur und Dolmetscher, hatte 1985 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und ab 1993 bis zu seinem Parteiaustritt im April 2002 für die Grünen im Landtag von NRW gesessen
[4] wobei die FAZ jedenfalls durchweg eine rühmliche Ausnahme bildet, vgl. dort nur FAZ vom 5. Juni 2oo2 mit Beiträgen von Zastrow u.a.
[5] mit der Bemerkung, dessen Arroganz und Intoleranz fördere mehr als alles andere den – von uns zu bekämpfenden – Antisemitismus.
Möllemanns - bekannte - Funktion als Vorsitzender der Deutsch-Arabischen Gesellschaft spielte im konkreten Zusammenhang durchweg ebenso wenig eine Rolle wie der Verdacht auf Mitverantwortung bei dubiosen Exportgeschäften in den Nahen Osten.
[6] Der Flyer: eine längere Eigen- und zugleich FDP-Werbeschrift Möllemanns, von der aber nur eine einzige Seite interessiert: Sie zeigt oben das Kopfbild Möllemanns mit dem Text:
„... setzt sich seit längerem beharrlich
für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts ein. Mit sicheren Grenzen
für Israel und einem eigenen Staat für die Palästinenser. Darunter links
Sharon. Text: „... lehnt einen eigenen Palästinenser-Staat ab. Seine
Regierung schickt Panzer in Flüchtlingsläger und missachtet Entscheidungen
des UNO-Sicherheitsrates. Daneben rechts M. Friedmann. Text:
„verteidigt das Vorgehen der Sharon-Regierung. Er versucht, Sharon-Kritiker
J.W.M. als anti-israelisch und antisemitisch abzustempeln“.
Am Schluss ein paar fette Zeilen: „Von diesen Attacken unbeeindruckt, wird sich J.W.M. auch weiterhin engagiert für eine Friedenslösung einsetzen, die beiden Seiten gerecht wird usw. usw.: Unterstützen Sie J.W.M mit Ihrer Stimme für die FDP !“.
[7] Die These, dass Michel .Friedmann durch sein vielfach als arrogant, distanzlos und anmaßend empfundenes Auftreten als FS-Moderator Antipathien weckt und diese dann mehr oder weniger pauschal auf „die Juden“ übertragen werden, weil viele Leute im Moderator nicht den Privatmann, sondern den stv. Zentralratsvorsitzenden Friedmann sehen, ließe sich mit sozialwissenschaftlichen Befragungsmethoden durchaus überprüfen - also verifizieren oder falsifizieren.
Dass die These nicht von vorn herein abwegig ist, zeigen auch Leserbriefe - vgl. z.B. die Leser-Resonanz in der FAZ vom 10.9.2002, nachdem diese am 1.9. den Beitrag: „Der Dekan – warum Michel Friedmann der falsche Moderator ist“ gebracht hatte.
Aber ein solcher Prüfauftrag wäre im damaligen Klima als geradezu obszön erschienen. Man hatte dem Delinquenten nämlich längst die These zugeschrieben, die Juden seien am Antisemitismus (also auch an dessen verbrecherischer Konsequenz: der eigenen Ausrottung) selbst schuld, und darüber gab es dann wirklich nichts zu verhandeln. ... Später wurde der Flyer, der zuvor ganz einhellig als antisemitisch gegolten hatte, plötzlich unisono (nur noch) „israelkritisch“ genannt, was eigentlich nun kein Tabubruch mehr war. Aber da zeigten schon alle Daumen längst nach unten. ...
[8] dazu Anm. 4; JF z.B. 24/02 vom 7.6.03.
[9] Stahl war am 6.7.1993 - nach dem „Fall Bad Kleinen“, einer falschen, substanzlosen Kampagne von Monitor und Spiegel gegen Beamte der GSG-9 - von der damaligen Bundesjustizministerin Leutheuser-Schnarrenberger ohne sachlichen Grund in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden; vgl. dazu Holger Lösch: Bad Kleinen – Ein Medienskandal und seine Folgen, Berlin 1994.
[10] JF 25/02 vom 14.6.2002: von Stahl hat noch kürzlich (vgl. JF 2/03 vom 3. Januar 2003: „Mangel an Intellektualität“) ein paar Gründe für die „Absurdität“ des Indizierungsverfahrens genannt und auch persönliche Erfahrungen zu seiner – einigermaßen plausiblen - These beigesteuert, dass die zuständige Behörde in NRW sich mit ihrer selbstgesetzten Aufgabe geistig etwas überfordert habe.
[11] Bestellung: bestellung.verfassungsschutz@
im.nrw.de, auch: www.im.de/verfassungsschutz
[12] Es fällt schon auf, dass ein amtlicher Bericht hier bereits auf seinem Glanzumschlag den Aufdruck trägt: www.NRWGegenRechts.de, während der (naive) Leser erwartet, dass die Behörde sich um Verfassungsverletzungen oder -Bedrohungen schlechthin sorge: ob aus rechter, linker oder undefinierter Quelle.
Es ist verdummend genug, dass die Allerweltsdiskussion die komplexesten Probleme auf ihr ebenso dürftiges wie beliebiges „Links/Rechts“-Schema zusammenschnurren lässt (eine wahre Fundgrube dazu: „Bürgernetzwerke gegen Rechts – Evaluierung von Aktionsprogrammen und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ - Roland Roth u.a -, Friedrich-Ebert-Stiftung 2003). Vom staatlichen Verfassungsschutz sollte man eigentlich ein anderes Reflexionsniveau erwarten; was freilich ein frommer Wunsch ist (vgl. nur: Ingo von Münch: Der Aufstand der Anständigen, NJW 2001, 728 – 733). Die sog. bürgerlichen Parteien lassen sich auf diese Illegitimisierung der komplexen Anmutung „rechts“ ziemlich hilflos ein, und manche ihrer Vertreter suchen den Nachweis ihrer anständigen Gesinnung durch Mitmachen zu führen, vgl. auch dazu die o.a. Schrift der Friedrich-Ebert-Stiftung 2003.
[13] VG Düsseldorf: 1 K 9318/96; der Beschluss des OVG für NRW vom 22.5. 2001 (5 A 2055/97) ist mehr oder weniger nur eine Formalentscheidung.
[14] woraus sich erklären mag, dass die VS-Berichte 2000 und 2001 pure Abwertungen in den Vordergrund rücken und Zitate in den Hintergrund - oder keine passenden mehr finden.
Dieses Manko dürfte auch dem erst im Mai 2001 entscheidenden OVG aufgefallen sein, wofür jedenfalls dessen Bemerkung spricht, die behördlichen Berichtsfeststellungen 1994/95 könnten „derzeit unter Umständen nicht mehr zutreffen“ (aaO. S. 15).
[15] Der alte Streit, der sich auf JF-Ausgaben vermutlich der frühen 90er Jahre bezieht, beschäftigt mich hier nicht, jedenfalls weniger und nur mittelbar. Aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 5 GG) und aus begründetem allgemeinen Zweifel an der Seriosität der Stoffpräsentation durch die erklärtermaßen (s. Anm. 12) parteiischen Berichtsverfasser bezweifle ich auch insoweit die Berechtigung der Indizierung
[16] Der Pranger funktioniert ganz offensichtlich. Man frage am Bahnhofskiosk oder sonstwo nach der JF. Oft jedenfalls wird die Antwort „sowas – oder: „die!“ - führen wir doch nicht !“ lauten, und der Frager fühlt sich beschämt, als habe er ein pornographisches Blättchen verlangt.
Ein gewisser Konsens dahin, dass die JF anständigerweise als eine publizistische Unperson behandelt werden müsse, zeigt sich auch daran, dass der Vorwurf jedenfalls zunächst Eindruck zu machen pflegt, jemand habe gewisse (unliebsame) Thesen nicht nur überhaupt vertreten, sondern ausgerechnet (bezeichnenderweise!) im Gespräch mit der JF:
Nachdem der Brandenburger Innenminister Schönbohm der JF im Herbst 2002 (JF 47 / 2002, S. 4) ein Interview gegeben hatte, dessen Inhalt auch überall sonst hätte stehen können, gab es großen Wirbel, der (ausgerechnet!) die PDS beflügelte, den Kopf des Ministers zu fordern, was sich dann aber als gar zu grotesk erwies und scheiterte. Aber noch in der o.g. Schrift der Friedrich-Ebert-Stiftung wird der Ort dieses Interviews missbilligend hervorgehoben (aaO. S. 54). Allerdings kann der Vorwurf eines Fehltritts just dieser Art nicht beliebig erhoben werden: Es gibt zahlreiche Autoren, die wegen eines Interviews mit der JF keiner anzurempeln wagt: So z.B. der Vorgänger von Shimon Peres, Prof. Ben-Ami, der im Gespräch mit der JF am 12.4.2001 (16/02) eine scharfe Sharon-Kritik zu Protokolll gibt. Oder der israelische Publizist, Inhaber des alternativen Nobelpreises und des Ossietzkypreises 2002 Uri Avnery, der sich in der JF 23/02 vom 31.5.02 nicht weniger Israel-kritisch einlässt als im Spiegel (23/02 vom 3.6.2002) . Neben dem Wo kommt es eben noch, und zwar entscheidend, auf das Wer an !
[17] wiederum – auch und gerade zum Thema Subventionierung - sei das kritische Studium der Schrift „Bürgernetzwerke...“ (oben Anm. 12) empfohlen.