(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/03, 12) < home RiV >

Mit 30 Kollegen

nach Kopenhagen

 

Kollegen lernt man zwischen Tür und Angel bzw. Sitzungssaal und Kantine kennen, Rechts- und Verfahrenskenntnisse holt man sich aus BGB und StPO. Das geht auch anders, dachten wir uns und fuhren mit 30 Kollegen nach Kopenhagen.

 

Und tatsächlich:

 

Wir unterhielten uns mit den Kollegen einmal länger als die übliche halbe Stunde beim Essen und hörten interessiert, was der andere in seiner Jugend in der DDR erlebte, wieso er die Wohnungspreise in Hamburg so exorbitant hoch finde und dass sein kleiner Sohn erstaunt gehört habe, dass Diebe in Gefängnissen tatsächlich Bettdecken hätten.

 

Wir besuchten dänische Richter, Staatsanwälte und Advokaten und lernten Erstaunliches: Die Strafverhandlung, die wir ansahen, dauerte geschlagene zweieinhalb Stunden – eine lange Zeit für den Diebstahl zweier Flaschen Wein und eine lange Zeit für uns, die wir kein Dänisch konnten. Aber nicht nur für die Delinquenten und Streitenden nehmen sich die Richter viel Zeit – im Zivilrecht gilt das Prinzip der Mündlichkeit in vollem Ausmaß! -, auch für ihre Besucher tun sie das. Eine Stunde durften wir nach der Sitzung Fragen stellen, und Richter und Staatsanwältin antworteten: Bei Richtern gibt es keine Spezialisierung, sie machen alles – Zivilrecht, Strafrecht, Arbeitsrecht, Steuerrecht etc.; im Strafprozess stellen Staatsanwalt und Verteidiger die Fragen, der Richter hört zu; bevor man Staatsanwalt wird, kommt man zur Polizei. Und, und, und.

 

Letzteres bestätigte man uns, als wir am nächsten Tag im Polizeipräsidium zu Gast bei der Staatsanwaltschaft waren. Während am Tag zuvor der uns begleitende Anwalt übersetzt hatte, sprachen hier unsere beiden Vortragenden in fließendem Englisch (die Vokabeln für Telefonüberwachung und Drogenfahndung gingen ihnen locker von den Lippen): Auch in Dänemark sind weiche Drogen nicht freigegeben; die Strafen erschienen uns niedrig.

 

Überwältigt waren wir von unserem Besuch beim Anwalt. Empfangen wurden wir mit Kaffee und Kuchen, nach zwei Stunden gab es Wein – den, wie man uns sagte, üblichen Freitagsnachmittagswein. Sie hatten für uns eine Power-Point-Präsentation vorbereitet, die Rechtsanwältin von nebenan dazu gebeten, weil sie Vorsitzende der Pflichtverteidiger-Vereinigung war, der Senior der Kanzlei saß auch dabei, und zwei jüngere Anwältinnen erzählten von ihren Eindrücken als Deutsche in Dänemark: Die Deutschen seien stets begeistert von den Dänen, doch diese Liebe würde leider nicht erwidert; Pflichtverteidiger in Dänemark seien nur erfahrene und renommierte Anwälte; der Kontakt zwischen Richtern und Staatsanwälten sei teilweise etwas distanziert – schon früh trenne sich die Ausbildung der unterschiedlichen Berufsgruppen.

 

Natürlich waren wir auch ganz normale Touristen und staunten im Schlepptau einer Stadtführerin über Tivoli und Schloss Amalienborg, fuhren stundenlang an schönen Villen entlang zum Museum Christiania, aßen zwischendurch Hotdogs von Tulip und besuchten abends Kneipen am Nyhavn.

 

Alles in allem eine schöne Fahrt!

 

Katharina Baumgarten