(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/04, 35) < home RiV >

Tag der Menschenrechte

- ein Erfahrungsbericht -

 

Ein Telefonat mit Frau Dr. Uhle, der Direktorin des Gymnasiums Blankenese, ergab, dass sie das Angebot gerne in den Philosophiekurs einbauen wollte, den sie selbst für die Schülerinnen und Schüler des 12. und 13. Jahrgangs gibt. Thema in diesem Semester sei "Angewandte Ethik". Man habe sich bisher mit einem Modell zur Bestimmung moralischer Urteilsfähigkeit befasst, sich dabei mit verschiedenen Gerechtigkeitsvorstellungen beschäftigt - unter anderem auch mit solchen, die sich an moralischen Prinzipien orientieren. Dabei sei es dann auch um die Frage gegangen, ob es universal gültige Werte geben könne oder sogar geben müsse. Sie könne sich vorstellen, dass ich einen kleinen Vortrag über "Was ist eigentlich Recht?" oder "Recht und Gerechtigkeit" - von den Chancen und Schwierigkeiten "Recht zu sprechen" halten könnte. Schön wären auch Fälle aus dem Alltag. In einer E-mail schrieb sie mir weiter: "Ihr Exkurs könnte eine wichtige Schnittstelle des Unterrichts bilden, weil rückblickend die Vorstellungen von "Recht und Gerechtigkeit" durch die juristische Betrachtungsweise präzisiert und erweiternd gefüllt werden könnten und weil Ihre Betrachtungsweisen über die rein moralische Urteilsfähigkeit einer Person hinaus auf den (komplexen) Zusammenhang von Urteilen und tatsächlichem Handeln verweisen. Der anschließende Unterricht wird sich nämlich mit dem Einfluss von Urteilsfähigkeit auf moralisches Handeln anhand einiger Testergebnisse psychologischer Forschung befassen ...".

Nun, ich war nicht so sicher, ob diese Wünsche mit dem Angebot des Richterbundes korrespondierten, dessen Wortlaut ich nicht kenne. Letztlich schien mir das aber nicht so wichtig zu sein, da ich fand, dass der Auftritt eines Praktikers in dem Zusammenhang eines solchen Kurses in jedem Fall Sinn macht, und zwar - wie mir schnell klar wurde - für beide Seiten. So machte ich mir also Gedanken, wie ich anhand von Beispielen aus meiner eigenen Praxis, aber auch aus bekannten historischen Beispielen die Bedeutung von Recht und Gesetz und deren Verhältnis zueinander, von Recht und Moral sowie von Recht und Gerechtigkeit würde erörtern können. Erfreulicherweise ließ sich meine Vorstellung, von vornherein in ein Gespräch mit der etwa 15 bis 20-köpfigen Gruppe zu kommen, problemlos verwirklichen (natürlich mit den üblichen Ausnahmen, d.h. einige hatten auch auf direkte aufmunternde Ansprache hin nicht den Mut, etwas beizutragen). So kamen aus der Gruppe des öfteren die richtigen Stichworte und auch die passenden Beispiele zu dem, was ich verdeutlichen wollte: Kriegsverbrechertribunale, Guantanamo, Gleichberechtigung von Mann und Frau u.a.m. Die meisten Schülerinnen und Schüler waren wach, unbefangen und interessiert. Sowohl Frau Dr. Uhle als auch ich waren denn auch zum Schluss der Meinung, dass die zweistündige Veranstaltung (zwei Schulstunden) ein Erfolg war, der auch durch kleine Faux Pas von meiner Seite - die mir nicht vorgestellte junge Referendarin hielt ich für eine der Schülerinnen; ich ignorierte das mir nicht geläufige Pausenklingeln - nicht getrübt wurde.

Ich habe meine Mitwirkung an dem Projekt durchaus als Bereicherung empfunden. Sich mit den Grundlagen dessen zu befassen, was wir tun, sich zu besinnen und neu zu verankern in dem philosophischen Gebäude, dem wir "das Recht" verdanken, scheint mir für jeden Rechtspraktiker lohnend - auch für den Ruheständler, der nicht mehr täglich unter dem Zwang steht, (sich) entscheiden zu müssen. In diesem Sinne bin ich gerne bereit, mich für ähnliche Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.

Übrigens äußerte Frau Dr. Uhle den Wunsch, dass ein solches Angebot nicht unbedingt zeitlich auf den 10. Dezember fixiert sein möge.

Ich wäre übrigens interessiert zu erfahren, wie es den Kolleginnen oder Kollegen in den anderen 13 Schulen am 10. Dezember oder danach ergangen ist.

 Dirk van Buiren