(Ansichtskarte aus dem Fundus von Herrn Focken)
Mit der Seilbahn
zum Gericht ...
(Zu Rinio, MHR 2/2004, 9:
Das Hamburgische Seilbahngesetz)
Man mag daran zweifeln, ob ein Hamburgisches Seilbahngesetz notwendig ist. Man mag auch daran zweifeln, ob 16 verschiedene Seilbahngesetze in Deutschland notwendig sind. Es könnte sein, dass dieser allseits belächelte Unsinn jedenfalls nicht nur „Brüssel“, sondern auch den deutschen Landesregierungen anzulasten ist, die sich gegen eine Bundesregelung ausgesprochen haben. Die Hamburgische Landesregierung gehörte nicht dazu, siehe die von Rinio zitierte Passage aus der Drucksache zum Gesetzentwurf.
Man mag auch bezweifeln, dass dieses Gesetz jemals Anwendung finden wird. Immerhin: Im Jahr 1963 konnte man mit der Seilbahn zum Gericht gelangen. Jedenfalls beinahe. Auch ohne Seilbahngesetz. Es ist nämlich so: Seilbahnen müssen nicht, wie es der Flachländer gemeinhin annimmt, von unten nach oben verlaufen (und wieder zurück). Anders gesagt: Die Seilbahn braucht für ihre Existenz keinen Berg (und umgekehrt).
Zur Internationalen Gartenbauausstellung 1963 erfüllte die Veranstalter die „nicht geringe Sorge“ um „die physische Beanspruchung der Besucher“ angesichts des weitläufigen Ausstellungsgeländes[1]. Offenbar wollte man den Besuchern der Gartenbauausstellung einen Besuch ohne nennenswerte Fußwege ermöglichen. Das scheint auch heute noch so zu sein und hat, soweit bekannt, jüngst zum Bau einer Seilbahn auf dem Gartenschaugelände in Rostock geführt, womit das Mecklenburgische Seilbahngesetz in der Praxis erprobt werden kann.
Die 1963 in Hamburg errichtete Seilbahn führte vom Südende des Heiligengeistfeldes über die Glacischaussee zu einer Station am Museum für Hamburgische Geschichte. Dort knickte die Strecke nach Nordosten ab und führte über Große und Kleine Wallanlagen – vorbei am Justizforum – zur Jungiusstraße, wo wieder ein Knick nach Norden erfolgte. Im Parkteil „Planten un Blomen“ war Endstation. Dort konnte man in die Kleinbahn umsteigen, die in diesem Parkteil einen Rundkurs befuhr.
(Kleinbahn in den Wallanlagen 1980; Foto: Jochen Lerche)
Die 1415 m lange Strecke der Seilbahn führte über elf Stützen von bis zu 26 m Höhe und wurde in neun Minuten durchfahren. Für den Antrieb sorgte ein 80 PS-Elektromotor. Bis zu 40 verglaste und 80 halboffene Gondeln mit jeweils zwei Plätzen waren im Einsatz. Der Betrieb auf den Stationen sollte mit „Fernaugen“ (Kameras) überwacht werden.
Nach der Gartenbauausstellung baute man die Seilbahn wieder ab. Die Kleinbahn in Planten un Blomen mit ihren knatternden Porsche-Loks blieb bestehen. Zur IGA 1973 erweiterte man deren Streckenführung erheblich und erschloss mit ihr auch Wallanlagen und Botanischen Garten. Erst 1982 wurde diese Bahn stillgelegt.
Man darf gespannt sein, mit welchem Verkehrsmittel fußlahme Besucher im Jahr 2013 die geplante Gartenbauausstellung in Wilhelmsburg werden erkunden können.
[1] Die Zitate und technischen Angaben stammen aus dem Artikel von C. Gross, Verkehr und Technik 1963, S. 109/110.