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Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es gilt, die Ärmel aufzukrempeln! Zum einen, weil wir das ohnehin gewohnt sind, zum anderen, weil uns das in der Beratung befindliche und schwer aufzuhaltende sog. Antidiskriminierungsgesetz (ADG) eine Fülle hübscher Fälle bescheren wird. Einmal mehr reibt man sich verwundert die Augen, wie administrative europäische Richtlinien Rechtsgrundsätze wie hier die Vertragsfreiheit zu Makulatur machen. Damit nicht genug. Die inländischen Verantwortlichen wollen in deutscher Gründlichkeit noch darüber hinausgehen. Sie planen ein prachtvolles Bürokratiegebäude. Beweiserleichterungen des Gesetzentwurfs schaffen ein Einfallstor für alle, die sich schon immer wegen ihrer Weltanschauung benachteiligt fühlten, wie z.B. auch die Scientologen. Schadensersatzklagen der Antidiskriminierungsvereine versprechen ein veritables Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte, Abmahnvereine und Richter – Kosten? Natürlich „keine“. Aber wer wird darüber klagen, weiß doch unsere Justizbehörde, dass höhere Eingangszahlen zur Steigerung der Erledigungsquote führen[1] ……………

Zur Erholung von diesen Strapazen bietet der Richterverein eine kleine Kulturreise im Oktober, bei der rund um den Cochelsee vier Museen besucht werden, und einen Besuch des Bundesgerichtshofs in Leipzig – wirklich gute Ideen, für die den Initiatoren zu danken und für die ihnen eine rege Beteiligung zu wünschen ist. Hier regt sich wieder die alte Reiselust des Hamburgischen Richtervereins. Reisen bildet ja nicht nur, es schafft auch Gemeinsamkeit unter den Teilnehmern.

Der Gemeinsamkeit und zugleich der Stärkung dienen auch die Angebote zum Freitagsgespräch und der Vorschlag zu kleinen Mentorenrunden. Jungen Kollegen Sicherheit zu vermitteln, ist eine lohnende Aufgabe. Wie man sich die Arbeit erleichtert, wenn man vor der Tigerjagd die selbe in Gedanken durchspielt, lässt sich durchaus vermitteln, wie ich aus Erfahrung mit Vorträgen weiß.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion zum Thema Opferschutz, über die Rechtsanwalt von Bracken in diesem Heft berichtet, trauten ihren Ohren nicht, als einer der in Hamburg bekannten Strafverteidiger in seinem Statement die Ansicht vertrat, es sei nach Jahrzehnten des Opferschutzes nun endlich an der Zeit, etwas für die Täter zu tun. Eine verblüffende Bemerkung auch angesichts der weiteren Wortbeiträge aus der Praxis der Opferbetreuung. Da war der Vertreter der Staatsanwaltschaft schon näher an der Realität, auch wenn er die Zuhörer ebenso erstaunte mit seiner Frage, wer denn die Opfer mehr schütze als die Strafverfolgungsbehörden.

In der Tradition unserer Beiträge zur Justizgeschichte und der Rolle der Juden in der Justiz steht der Aufsatz Hans-Ulrich Schroeders „Gerichte und Richter im Judentum“, in der er einen faszinierenden Gang durch die Weltgeschichte unternimmt und uns die hohe Kultur der jüdischen Tradition nahe bringt. Ein Artikel zum Aufheben – wenn Sie nicht ohnehin alle MHRs archivieren ……..

Kaum ist das Kant-Jahr vorbei, sind wir im Schiller-Jahr und Sie ahnen schon, dass es auf den guten alten Idealismus hinausläuft. Eine seiner Maximen ist eine anspruchsvolle Lebensbegleiterin:

Keinesfalls darf man die höhere Welt des Ideals preisgeben zu Gunsten der bescheidenen Wirklichkeit!

Wonach Sie immer streben, ich wünsche Ihnen den klassischen vom Eise befreiten Osterspaziergang und angenehme Tage mit Ihren Lieblingsakten und einem guten Buch. Wenn nicht die Schiller-Biographien von Safranski bzw. Damm oder – ad fontes - Schillers Räuber, dann vielleicht Uwe Wesels „Der Gang nach Karlsruhe – das Bundesverfassungsgericht in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, das ebenso fundiert wie unterhaltsam geschrieben ist und Laien wie Juristen gefallen kann.

 

Ihre

Karin Wiedemann


 

[1] siehe Seite 13