(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/06, 15) < home RiV >

Bei einem Gespräch gegen Ende November vorigen Jahres, das auch auf alte Zeiten abschweifte, bemerkte unser Ehrenvorsitzender Roland Makowka beiläufig, er habe vor Jahren ein paar Notizen über seine Jugendtage zu Papier gebracht – auf Bitten des damaligen Senators Curilla, der – selbst daher stammend – ostpreußische Geschichten sammelte. Seine Aufzeichnungen lägen nun irgendwo in der Schublade, seien literarisch anspruchslos und sollten deshalb dort bleiben. Ich fand die Aussicht, dieses Papier vergilben und vergammeln zu lassen, betrüblich und habe Makowka die Zusage abgenötigt, zunächst einmal mir die Notizen zur Prüfung zu überlassen, ob sie nicht vielleicht doch geeignet seien, in unserem Mitteilungsblatt gedruckt zu werden – an einem ja einigermaßen intimen Ort mit einer ebenso vertrauten wie begrenzten, aber gerade deshalb gewiss interessierten Leserschaft. Die spätere Lektüre bestätigte meine Vermutung, dass dieser persönliche Exkurs den MHR zur Zierde gereichen würde, und unsere Redaktion fand das auch. Deshalb also der nachfolgende Bericht.

Ich habe – wiederum mit dem Segen Roland Makowkas – dem Text ein paar Fußnoten angefügt, die helfen sollen, die Einbettung der autobiographischen Notizen in die dramatische, schicksalhafte Zeitgeschichte jedenfalls andeutungsweise sichtbar zu machen, wozu der Autor der Jugenderinnerungen selbst naturgemäß keinen Anlass hatte.

Günter Bertram

Roland Makowkas
„Jugenderinnerungen“

 

 

Ich wurde am 22. Dezember 1930 in Wehlau/ Ostpreußen[1] geboren. Mein Bruder Reinhardt war vier Jahre älter als ich. Mein Vater war Bürgermeister der Kreisstadt Wehlau, die bekannt war durch den jährlichen Pferdemarkt. Man sagte, zu diesem Zeitpunkt habe die Stadt mehr Pferde als Einwohner gehabt. Mein Vater hatte sich als städtischer Beamter hochgedient. Als Bürgermeister zunächst in Schöneck/Westpreußen[2], dann in Domnau/Ostpreußen[3], wurde er 1927 als Wahlbeamter und Mitglied der Liberal-Demokratischen Partei[4] Bürgermeister in Wehlau. Zur Zeit der Geburt meines Bruders lebten meine Eltern in Domnau. Entbunden wurde die Mutter jedoch in Königsberg/Ostpreußen, damit es nicht heißen sollte, mein Bruder käme aus „Domnau“.

Meine Jugend war überschattet durch Verfolgungsmaßnahmen der Nazis gegen meinen Vater. Kurz nach der Machtübernahme 1933 wurde er seines Amtes als Bürgermeister enthoben. Man warf ihm u.a. vor, dass er eine Versammlung der NSDAP auf dem Wehlauer Marktplatz verboten hatte[5]. Im Rahmen des gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens wurde er unter Aberkennung seiner Pensionsansprüche aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Kurz nach der Amtsenthebung waren meine Eltern mit uns Kindern „bei Nacht und Nebel“ – wie sie berichteten – nach Königsberg umgezogen. Für meinen Vater war es die zweite Flucht. Die erste Flucht hatte nach den Versailler Verträgen stattgefunden. Auf Grund dieser Verträge wurde die Stadt Schöneck, in der er Bürgermeister war, Polen zugeschlagen. Mit einer Pferdekutsche musste er über die Grenze nach Ostpreußen fliehen, weil er nicht für Polen optiert hatte.[6]

In Königsberg musste mein Vater eine Tätigkeit als Vertreter bei der Berlinischen Lebensversicherung annehmen, um seine Familie über Wasser zu halten. In diesem neuen Broterwerb glaubte er auch am ehesten vor den damaligen Machthabern untertauchen zu können. Gegen das Urteil des Disziplinargerichts in Königsberg hatte er Berufung eingelegt. 1937 wurde er durch das Kammergericht in Berlin freigesprochen, eine für die damaligen Verhältnisse ungewöhnliche Entscheidung.[7]

Von der Pensionsnachzahlung kauften meine Eltern unser Haus in Königsberg, Lawsker Allee 65. Die Stadt Wehlau sei an dieser Nachzahlung beinahe pleite gegangen, berichtete uns mein Vater nicht ohne Schadenfreude. Haus und Garten wurden für mich zum Mittelpunkt meiner Kindheit, an die ich dank der Fürsorge meiner Eltern und umgeben von Tieren noch immer gern zurückdenke.

 

Der Hang zu Tieren hatte mich bereits in früher Kindheit ergriffen. Es fing während der Grundschulzeit mit zwei Kaninchen an, die sich – da ich nicht erkennen konnte, welchen Geschlechts die Tiere waren – schnell vermehrten. So drängten sich alsbald 10 bis 12 Kaninchen in den Boxen des Kaninchenstalls, den mein Vater gebastelt hatte. Täglich war ich damit beschäftigt, Gras von dem in der Nähe gelegenen „Veilchenberg“ zu klauen, da der Rasen unseres Gartens nicht ausreichte. Zu den Kaninchen kamen Zierfische jeder Art, Wasserlurche und weiße Mäuse hinzu. Meine Mutter überredete ich auch, eine Katze bei uns aufzunehmen, die jedoch kurze Zeit später, nachdem sie ein Tablett mit damals wertvollen Sammeltassen auf den Boden geschmissen hatte, auf Nimmerwiedersehen verschwand. Nur der sehnlichst gewünschte Hund wurde mir von den Eltern verwehrt. Dafür durfte ich einmal im Jahr zu einer befreundeten Bauernfamilie auf deren Bauernhof fahren. Dort hatte ich alle Tiere beisammen und verbrachte einen wesentlichen Teil des Tages bei Pferden, Kühen und Schweinen. Die stete Beschäftigung mit Tieren brachte es mit sich, dass mir für Schulaufgaben wenig Zeit blieb. Meine Mutter verstand es, durch eigenen Fleiß vieles auszugleichen. Ein Musterschüler wurde ich jedoch nie, zumal ich es auch vorzog, mit meinem damaligen Schulfreund Jochen mit dem Tretroller auf Erkundungsfahrten zu gehen.

 

All der Frohsinn der Kindertage war im Elternhaus getrübt durch die Angst, die Nazis könnten meinen Vater eines Tages doch abholen. Auch der Freispruch durch das Kammergericht Berlin änderte hieran nichts. Mein Vater war für viele ein Verfemter. „Wir holen Sie doch noch“, soll ihm der Ortsgruppenleiter wiederholt gesagt haben. Der Kreisleiter Wagner, der bei der Amtsenthebung meines Vaters in Wehlau eine maßgebliche Rolle gespielt hatte, wollte den Makowka ohnehin „zur Strecke bringen“. Mein Vater litt auch darunter, dass er weiterhin als Versicherungsvertreter über die Lande fahren musste, da die Pension für den Familienunterhalt nicht ausreichte. Beinah mahnend sagte er häufig zu uns, wenn er mit unseren schulischen Leistungen unzufrieden war: „Und ist dir im Leben nichts gelungen, dann machst du eben Versicherungen“.

 

So leichtsinnig mein Vater auch mit seinen Bemerkungen über die „Nazis“ war, so sehr blieb er andererseits bemüht, uns zur Vorsicht anzuhalten, nichts von dem weiter zu erzählen, was wir im Hause erfuhren. Besonders gewarnt wurden wir vor dem Blockwart, dem wir mit erhobenem rechten Arm „Heil Hitler“ zu sagen hatten. Bei unserer Mutter hatte der Blockwart mehrfach beanstandet, dass sie den „Deutschen Gruß“ auf der Straße wohl vergessen hätte. Die Mutter klagte wiederum meinem Vater, wie sie das wohl bewerkstelligen solle, wenn sie in der rechten Hand ein schweres Netz schleppe. Am zweiten Weihnachtstag eines jeden Jahres erhielten wir nachmittags Besuch von Verwandten, die nach Berichten der Eltern als „strenge Nazis“ galten. Meine Eltern schärften mir als dem Jüngeren ein, das Weihnachtsgedicht mit dem „Deutschen Gruß“ einzuleiten. Also stellte ich mich vor den Tannenbaum, klappte die Hacken zusammen und begann: „Heil Hitler, von drauß’ vom Walde komm ich her ...“.

 

Mein Bruder machte nie einen Hehl daraus, dass ihm das Jungvolk und später die Hitlerjugend zuwider waren. Er lehnte es ab, deren Uniform zu tragen und drückte sich vor den wöchentlichen Jungenschaftstreffen, soweit es nur ging. Ich war folgsamer: Ich trug bei den Treffen die Uniform, war stolz auf das Leistungsabzeichen, das mir irgendwann verliehen wurde, und brachte es mit 12 Jahren zum Jungenschaftsführer. Ich ärgerte mich über die Unvernunft meines Vaters, täglich den Londoner Rundfunk abzuhören, insbesondere die Berichte des englischen Kommentators Linley Fraser. Dabei wusste ich, dass auf dem Abhören ausländischer Sender sogar die Todesstrafe stand. Eines Tages drohte ich meinem Bruder, als die Stimme Linley Frasers aus dem Radio selbst im Garten zu hören war, ich würde den Vater beim Ortsgruppenleiter anzeigen. „Lass das mal sein“, erwiderte mein Bruder, und ich kam auf das Thema nicht mehr zurück.

 

Vom Kriegsausbruch hatten wir in Ostpreußen bis auf einen leichten Luftangriff der Engländer zunächst wenig gespürt. Die Familie verfolgte die täglichen Nachrichten und Siegesmeldungen. Ich war begeistert. Mein Vater schien gedrückt, so als ob er darauf wartete, dass es irgendwann an der Haustür klingeln und er abgeholt werden würde. Ab und zu ertappte ich meine Mutter beim Weinen. Die Angst um ihren Mann schien sie nie zu verlassen. Ich weiß nicht, ob ich die Sorgen meines Vaters und meiner Mutter damals schon begriff. Ich fing an, die vielen Tierbilder an den Tapeten meines Zimmers durch Postkarten der Kriegshelden und Ritterkreuzträger zu ergänzen. Ich hatte an der Wand auch eine Europakarte angebracht, auf der ich mit Fähnchen den Siegeszug der Wehrmacht in Polen, Frankreich und schließlich in Russland sorgfältig absteckte. Ob ich dann auch die zurückweichenden Fronten markiert habe, daran erinnere ich mich nicht.

 

Den ersten schweren Luftangriff der Engländer auf Königsberg im Sommer 1944 erlebten wir in einem Wochenendhaus in Sandlauken/Samland, das uns Freunde meiner Eltern überlassen hatten, die sich bereits in den Westen abgesetzt hatten. Wir sahen am Himmel die Geschwader der Bombenflugzeuge, die Leuchtschirme und hörten die Flakabwehr. Mein Bruder, inzwischen als Luftwaffenhelfer in Königsberg eingesetzt, wird dort gewesen sein. Über Königsberg verfärbten sich die Wolken in tiefes Rot. Am nächsten Tag fuhren wir zurück. Unser Stadtteil Amalienau/Ratshof war nicht getroffen worden. Aber die Innenstadt brannte. Menschen zogen mit ihrer letzten Habe an uns vorbei. Um diese Zeit muss auch Goebbels seine Rede gehalten haben, in welcher er mit schriller Stimme rief: „Wollt Ihr den totalen Krieg?“[8] Wir alle hörten die Rede in unserem Wohnzimmer. Meine Eltern gaben empörte Kommentare. Langsam begriff wohl auch ich.

Im Winter 1944 kamen die Fronten näher.[9] Wir Kinder bedrängten die Eltern, ob wir nicht wie andere zu Verwandten in den Westen gehen sollten. Mein Vater lehnte das ab: Uns könne nichts passieren, auch wenn die Russen kämen; schließlich sei er immer Nazigegner gewesen. Ich meldete mich mit anderen Kindern nach einer flammenden Rede des Fähnleinführers kurz vor meinem 14. Geburtstag freiwillig zum Volkssturm.

Es muss im Januar 1945 gewesen sein, als ich meine Eltern bat, für eine Woche zu den Freunden auf dem Bauernhof fahren zu dürfen. Sie gaben nach, und ich fuhr mit dem Zug zum Dorf. Es waren herrliche Tage. Vom Krieg war nichts zu spüren. Vier Pferde zogen den Schlitten, auf dem die Bauernkinder und ich durch die hell glänzende Schneelandschaft fahren durften.

Als ich nach einer Woche auf dem kleinen Dorfbahnhof zur Rückfahrt eintraf, brach die Realität über mich herein.[10] Ich hörte, dass kaum noch Züge nach Königsberg fuhren. Die wenigen, die vorbeikämen, seien mit Flüchtlingen überfüllt. Eine Nacht wartete ich in dem kleinen ungeheizten Warteraum, bis dann doch ein Zug hielt und ich mich hineinklemmen konnte. Mein Vater musste zuvor unendlich lange auf dem Königsberger Hauptbahnhof auf mich gewartet haben, ehe er mich sorgenvoll empfing. Da keine Straßenbahnen mehr fuhren, wanderten wir durch die Trümmer der Innenstadt zu Fuß nach Hause. Nunmehr entschlossen sich auch meine Eltern zur Flucht. Mehrere Tage lang gingen wir mit Koffern zum Hauptbahnhof. Die Züge waren überfüllt. Wir kamen nicht hinein. Schließlich hieß es, die Züge würden nicht mehr in den Westen durchkommen.[11]

Bald darauf hatten die Russen Königsberg eingeschlossen. Königsberg wurde zur „Festung“. Ich meldete mich bei meiner inzwischen etablierten Volkssturmeinheit in einem Speicher am Hafen, etwa eine halbe Stunde von unserem Haus entfernt. Ein älterer Soldat zeigte uns unsere Stellung und erläuterte, dass dies eine Auffangstellung hinter der Hauptkampflinie zur Verteidigung der Stadt sei. Er würde uns am Gewehr, dem schweren Maschinengewehr und der Panzerfaust ausbilden. Während der Ausbildung schliefen wir nachts im Speicher und durften das Wochenende zu Hause verbringen.

Auf der Straße mussten wir uns vor russischen Tieffliegern in Acht nehmen, die auf alles, was sich bewegte, schossen. Die Lebensmittel wurden knapper. Meine Eltern nahmen mich beiseite und sagten mir, dass meine Kaninchen geschlachtet werden müssten, da für sie nicht mehr genügend Futter vorhanden sei. Zu meiner Futterstätte auf dem Veilchenberg durfte ich nicht mehr gehen, weil sie durch russische Tiefflieger bedroht war. Ich ging in den Garten, nahm von den Kaninchen Abschied und verließ für eine Stunde das Haus. Mein Vater wollte das Schlachten übernehmen. Als ich zurückkam, waren die Kaninchen noch am Leben. Der Vater gestand mir, dass er es nicht geschafft hatte. Ein Arbeiter der Müllabfuhr hat dann das Werk übernommen.

 

Für kurze Zeit wurde Königsberg von der Wehrmacht freigekämpft. Schiffe kamen herein und gingen hinaus. Meinem Bruder, der einen Einberufungsbefehl zur Wehrmacht nach Berlin in Händen hatte, gelang es, auf ein Schiff zu kommen, meine Eltern und ich hatten kein Glück. Immer wieder kehrten wir mit unserem kleinen Handwagen voller Gepäck ergebnislos und entmutigt vom Hafen zurück. Einmal trafen wir unterwegs unseren Blockwart. Er berichtete, dass ihm und seiner Frau nunmehr ein Platz auf einem Schnellboot reserviert sei.

 

Königsberg wurde wieder eingeschlossen. Wir alle wussten, es würde zu Ende gehen. Die Fronten waren schon weit über Ostpreußen hinausgegangen. Ich verrichtete bei meiner Volkssturmeinheit am Hafen Dienst und war im Übrigen mit anderen Kindern von der Ortsgruppe beauftragt, Lebensmittel aus den Kellern verlassener Häuser zu holen. Ich bekam einen Bund voller Schlüssel und Dietriche, um die Türen der Häuser zu öffnen. Im Umgang mit den Dietrichen entwickelte ich beachtliche Fertigkeiten, so dass ich auch in anderen Gruppen als Türöffner eingesetzt wurde. Verhungern musste aber niemand in der eingeschlossenen Stadt. Auf den Straßen lagen als Opfer der Tieffliegerangriffe genügend Pferdekadaver herum. Meine Mutter als gute Köchin verstand es, ein vorzügliches Pferdelungenhaschee herzurichten.

 

In der Stadt wurde es plötzlich unheimlich still. Tiefflieger kamen kaum noch. Nur in der Ferne hörte man den Donner der Front. Ab und zu marschierte an unserem Haus ein Trupp deutscher Soldaten mit russischen Kriegsgefangenen vorbei. Das erste Mal nahm ich Menschen mit einem Judenstern auf der Brust wahr, welche die Straßen und Plätze säuberten. Über den Straßen hingen Spruchbänder: „Schlagt die roten Hunnen tot“. Wir warteten auf den Angriff der Russen. Von der Ortsgruppe wurden unsere Volkssturmeinheiten zum Besuch des Films „Festung Kolberg“ abgeordnet.[12] Wir sahen den Film. Und plötzlich bekam ich Angst, unendliche Angst vor dem Einsatz an der Front, vor dem Unvorstellbaren.[13]

 

Am 6. April 1945 begann das Trommelfeuer der Russen auf die Stadt. Ununterbrochen gingen auch in unserem Stadtteil Bomben nieder. Die Erde bebte. Meine Eltern und ich saßen in unserem Keller, den mein Vater mit Stützbalken als Luftschutzkeller hergerichtet hatte. Bei jedem Heulen und Pfeifen der niedergehenden Bomben fürchteten wir, dass auch unser Haus getroffen worden sein könnte. Oder war schon alles über uns zerstört? Als eine Feuerpause eintrat, wollte ich zu meiner Einheit im Hafen laufen. Die Eltern verboten mir das. Der Bombenhagel nahm zu, wir hörten Rufe und Schreie auf der Straße. Mein Vater betete laut. Am Morgen des 8. April hörten wir Menschenstimmen in unserem Haus. Es waren deutsche Soldaten, die im Flur Schutz suchten. Sie kamen zu uns in den Keller und riefen: „Ihr müsst hier raus. Die Russen sind in der Stadt. Es wird nicht mehr lange dauern.“ Der Bombenhagel hörte auf. Jetzt wussten wir, dass die Russen nicht mehr weit sein konnten.

 

Wir nahmen unseren Handwagen und zogen mit einer kleinen Gruppe anderer Männer Richtung Westen, um uns nach Pillau[14] durchzuschlagen. Für meinen Vater begann die dritte Flucht in seinem Leben. Eine Wehrmachtsstreife hielt uns an und warnte uns: die Russen seien bereits auf der Pillauer Landstraße, und wir kämen nicht mehr durch. Wir gingen weiter, vorbei an zerstörten Häusern, der brennenden Kirche von Ratshof und an Bombentrichtern auf der Straße. Wir überschritten die Stadtgrenze, rechts die Anhöhe von Friedrichsberg. Dort lag die Flakstellung, auf der mein Bruder als Luftwaffenhelfer gedient hatte. Auf dem Friedrichsberg müssen bereits die Russen gewesen sein, mit guter Einsicht auf unsere Straße. Ich hörte plötzlich ein Pfeifen und eine Explosion. Ich wurde niedergerissen, mit mir die anderen unseres Trupps. Einige schrien. Ich richtete mich auf und nahm wahr, dass mein Kopf getroffen war. Mit der Hand tastete ich auf die Schädeldecke und spürte, dass aus ihr Fleisch quoll. Mein Vater sprang auf, lief auf mich zu und hob mich auf. In diesem Augenblick hielt ein Wehrmachtstransporter. Mein Vater zog mich auf die Ladefläche. Meine Mutter kletterte ebenfalls in das Fahrzeug, die anderen blieben auf der Straße liegen. Der Aufladevorgang dauerte nur wenige Sekunden, dann ging es in rasender Fahrt aus dem Kessel heraus.

 

Vielleicht waren wir die Letzten, denen die Flucht aus der Stadt gelungen war.[15] Am nächsten Tag, dem 9. April 1945, fiel Königsberg. General Lasch, Festungskommandant, hatte kapituliert. Kurze Zeit später wurde er wegen Feigheit vor dem Feind in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

 

Ich erinnere mich noch, dass ich in ein Feldlazarett nach Pillau zur Operation kam. Ein Sanitäter rief: „Wieder ein Kopf“. Irgendwann wachte ich auf. Ich lag im Laderaum eines Frachters. Um mich herum in langen Reihen zahllose Verwundete, dazwischen Sanitäter und Ärzte. Ich lag unter der Ladeluke, blickte hoch, dort stand mein Vater, der mir zuwinkte. Später berichteten mir die Eltern, dass sie mich nach der Operation in Pillau verloren hätten. Mit einer Taxe hätten sie die im Hafen liegenden Lazarettfrachter auf der Suche nach mir abgefahren und mich durch Zufall gefunden. Vier Tage soll die Fahrt nach Lübeck gedauert haben. Wenn ich aufwachte: quälender Durst, die Schreie und das Phantasieren anderer Verwundeter; gestorbene Soldaten wurden, in Wolldecken verpackt, hochgehievt; die Unruhe und Angst, wenn unser Schiff von feindlichen Flugzeugen angegriffen wurde und die in der Nähe explodierenden Bomben, die alles erschüttern ließen.[16] Der Durst schnürte mir den Hals zu. Im Halbschlaf schwor ich: Wenn ich hier durchkäme, würde ich jeden Abend eine Flasche Wasser an mein Bett stellen.

 

Am 12. April 1945 legte das Schiff in Lübeck an. Ca. 3 Monate lag ich in Lübeck im Lazarett und später im Krankenhaus. Ich war der einzige aus der Familie, der ein wenig Habe gerettet hatte – einen kleinen Brustbeutel. Darin enthalten war mein selbstgemachtes Kaninchenalbum und eine Leuchtpistole. Im Lazarett spotteten einige der verwundeten Soldaten über die Pistole: „Aha, das ist die neue V 2“.

 

Aus dem Krankenhaus wurde ich zu meinen Eltern entlassen, die inzwischen zwei Untermietzimmer in Lübeck bezogen hatten. Einige Zeit später kam auch mein Bruder zu uns. Er war nach der erfolgreichen Flucht aus Königsberg in Berlin Soldat geworden, war in englische Kriegsgefangenschaft geraten und hatte auf vielen Umwegen schließlich zu uns gefunden. Im Herbst nahm ich den Schulbesuch in Lübeck wieder auf. Die Kopfwunde heilte langsam, und ich musste lernen, mit den Folgen einer Hirnverletzung zu leben.

 

Kurz nach Kriegsende bemühte sich mein Vater um Wiedereinstellung bei der Verwaltung. Die Militärregierung in Lübeck war auf ihn aufmerksam geworden und veranlasste die Stadt, ihn anzustellen. Er, der Flüchtling, in einer Stadt voller Flüchtlinge, wurde von den Stadtvätern zum Direktor des Wohnungsamtes gemacht. Das begleitend hierzu eingeleitete Wiedergutmachungsverfahren verlief erfolgreich. Wir alle verstanden aber die Verbitterung des Vaters, als er erfuhr, dass das Verfahren beim Justizministerium Schleswig-Holstein von dem Beamten bearbeitet wurde, der sein Entlassungsverfahren beim Disziplinargericht in Königsberg betrieben hatte. In Königsberg war der Beamte Regierungsrat, in Schleswig-Holstein war er nach dem Kriege zum Oberregierungsrat avanciert. Immer wieder gab der Vater uns den Rat: Tretet nie in eine Partei ein!

 

Die Jahre in Lübeck empfand unsere Familie als Erlösung. Der Krieg war zu Ende, Die Nazizeit vorbei. Wir fanden eine kleine Wohnung, die langsam eingerichtet wurde und – der Vater war rehabilitiert. Mein Bruder und ich schliefen in einer Dachkammer. Der Winter 1945 war bitterkalt. Wenn wir morgens aufwachten, hatten wir Eiszapfen an der Nase, und Läuse und Flöhe hatten wir auch. Aber Weihnachten 1945 war vielleicht das schönste Fest, das ich in meiner Jugendzeit erlebte, war doch die Familie wieder beisammen. Die Brennhexe wärmte die Küche, und wir sangen Weihnachtslieder, nachdem der Vater die Weihnachtsgeschichte vorgelesen hatte.

 

Meine Tierleidenschaft musste sich auf die Anschaffung weißer Mäuse beschränken; mehr Tiere ließ unsere kleine Wohnung nicht zu. Ich schrieb Tiergeschichten und glaubte, einmal ein großer Tier-Schriftsteller zu werden. Mein Bruder machte das Notabitur und begann mit dem Jurastudium in Hamburg. Mein Vater erlitt mit Anfang 60 einen Schlaganfall und war bis zu seinem Lebensende linksseitig gelähmt. Als ich das Abitur machte, wollte ich Tierarzt werden. Da die Eltern ein Studium in Hannover nicht finanzieren konnten, entschloss ich mich, den Spuren meines Bruders zu folgen und begann nach unserem Umzug nach Hamburg im Sommer 1951 dort mit dem Jurastudium. An sich wollte ich – wie mein Vater – Verwaltungsbeamter werden; mein Bruder wollte Richter werden. Er wurde aus Gründen des Stellenmangels nicht in den Justizdienst übernommen und ging als Regierungsasses­sor in die hamburgische Verwaltung. Als ich das zweite Staatsexamen bestanden hatte, riet mir mein Bruder: „Werd’ du mal Richter,   e i n   Makowka in der Hamburger Verwaltung ist genug“. Und so geschah es auch.

 

Die Eltern und wir Jungen wollten Ostpreußen und Königsberg[17] nie mehr wiedersehen. 1994, nach dem Tode meines Bruders, bin ich im Rahmen des Richteraustausches mit Königsberg mit anderen Kolleginnen und Kollegen doch hingefahren.[18] Unser Haus steht noch. Zunächst erkannte ich es nicht, da es inzwischen zu einem Postgebäude umgebaut worden war. Ich suchte die Ecke, in welcher mein Kaninchenstall gestanden hatte. Dort war jetzt ein Parkplatz. Alles erschien mir fremd. Die Tür zum Gebäude war abgeschlossen. Am nächsten Tag begleiteten mich meine russischen Gastgeber nochmals zu dem Haus. Nunmehr konnte ich es betreten. Ich erkannte es wieder. Der Treppenaufgang war unverändert geblieben, auch das Treppengeländer, auf dem mein Bruder und ich als Kinder heruntergerutscht waren. Meine Gastgeber hatten mich nicht in das Haus begleitet. Sie warteten draußen. Auf dem Rückweg gingen sie still neben mir her. Ich glaube, sie ahnten, was in mir vorging.

 

Einige Tage später bat mich ein russischer Journalist der Königsberger Prawda, ihm über meine Jugendzeit in Königsberg ein Interview zu geben. Ich hatte wohl dem Wodka schon gut zugesprochen, als ich auch von meinen Wohnungseinbrüchen mit Hilfe der Dietriche berichtete. Kurz darauf erschien hierüber ein Bericht in der Prawda unter der Überschrift:

„Roland Makowka,

Präsident des Landgerichts Hamburg,

der Meisterdieb von Königsberg“.

 Roland Makowka


[1] Wehlau am Pregel, ca. 40 km östlich von Königsberg. 

[2] Schöneck/Westpreußen (Regierungsbezirk Danzig), westlich der Weichsel, am Südrand der sog. kaschubischen Schweiz

[3] Domnau, Kreis Bartenstein, gelegen ca. 40 km südöstlich von Königsberg in den Masuren, nahe der heutigen russisch-polnischen Grenze 

[4] Die Partei dieser Liberalen war die Deutsche Demokratische Partei (DDP), die neben SPD und katholischem Zentrum zu den tragenden Säulen der Weimarer Republik gehörte (aus ihren Reihen stammte auch Hugo Preuß, der Schöpfer der Reichsverfassung) und mit Rathenau kurzzeitig den (neben dem späteren Stresemann) bedeutendsten Außenminister der Republik stellte. Dieser wurde jedoch als „Erfüllungspolitiker“ beschimpft und schon am 24. Juni 1922 von Rechtsradikalen ermordet („schlagt tot den Walter Rathenau, die gottverdammte Judensau“). Dass Vater Gustav Makowka später unter den Nazis nichts würde zu lachen haben, war also schon früh vorgezeichnet.

 

[5] Nach dem Rathenau-Mord (oben Anm. 4) hatte der Reichstag auf Betreiben des Justizministers Gustav Radbruch am 18. Juli 1922 das Republikschutzgesetz beschlossen, welches ein energisches Vorgehen gegen Radikale, auch gegen ihre Aufmärsche, Umzüge und Umtriebe erlaubte. Das Problem lag freilich darin, dass den Zuständigen häufig Mut und Entschlusskraft fehlten, das Gesetz anzuwenden. Anders offenbar der Bürgermeister von Wehlau, was später – nach dem 30. Januar 1933 – aber auf ihn zurückschlug.

[6] Auf Grund des Versailler Vertrags vom 28. Juni 1919 wurden erhebliche Teile des deutschen Reichsgebiets abgetrennt und anderen Staaten zugeschlagen. So an Polen ohne Volksabstimmung Westpreußen mit 42 % deutscher Bevölkerung und die Provinz Posen (34 % deutsch), die Teile des sog. polnischen Korridors (eines ca. 30 – 90 km breiten Landstreifens bis zur Ostsee hinauf) wurden. In Gebieten, in denen schließlich Volksabstimmungen zugelassen wurden und abgehalten werden konnten, war das Votum für den Verbleib beim deutschen Reich teils klar und deutlich (Schlesien 60%; vgl. dazu auch Käthe Manasse, MHR 2/2002, S. 5 ff (6 lk.), teils überwältigend (Ostpreußen: Marienwerder 92,4 %; Allenstein 97,8 %). Zum ganzen vgl. z.B. den Grossen Ploetz – Auszug aus der Geschichte, 31. Auflage 1992: Neuzeit. Internationale Nachkriegsordnung bis zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929, dort: Nationale Minderheiten und Minderheitenrechte nach 1919, S. 852 – 857; zur polnischen Expansion nach dem Zusammenbruch des zaristischen Russlands 1917 und des Deutschen Reiches 1918 (energisch betriebene Polonisierung); vgl. aaO. S. 991 f: Neuzeit, Polen 1914-1945. Dass Herrschaftswechsel hier oft mehr als eine neue, rein staatsrechtliche Zuordnung war, sondern tief in Leben und Existenz eingriffen, dafür ist der Fall Makowka nur eines vieler Beispiele. Zum historischen Rahmen vgl. Golo Mann: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 1966, 10. Kapitel – zwei Grunddokumente, S. 671 ff; auch Thomas Urban: Deutsche in Polen - Geschichte und Gegenwart einer Minderheit, München 1993, Vorgeschichte (S. 27 ff).

[7] Die Akte Gustav Makowka wäre ein zeitgeschichtliches Dokument; vermutlich gibt es sie längst nicht mehr: die Kammergerichtspräsidentin Monika Nöhre (unsere früher Hamburger Kollegin) hat nach der Akte fahnden lassen; leider vergeblich. 

[8] Hier zieht die subjektive Erinnerung zwei unter­schied­li­che Dinge zu einem Ereignis zusammen: Die aufpeitschende, von sinnlos-tobendem Jubel umrahmte düstere Vorhersage und ihre spätere katastrophale Bewahrheitung. Tatsächlich war es nämlich schon am 18. Februar 1943 gewesen, dass der Reichs­propagandaminister Josef Goebbels vor handverlesenen NS-Kreaturen in Berlin seine berüchtigte Sportpalastrede hielt, deren Schluss- und Höhepunkt lautete: ...... „Ich frage euch: wollt ihr den totalen Krieg?“ „Jaaaaaaaaaaaaaa!“ „Wollt ihr ihn? Wenn möglich totaler und radikaler, als wir ihn uns heute vorstellen können?“ „Jaaaaaaaaaaaaaa!“ .... (vgl. dazu näher: Ralf Georg Reuth: Goebbels 1991, Kpt. 13: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ S. 481 ff. (520)). Das Kriegsglück hatte sich damals gewendet: die Kapitulation des Restes der 6. Armee im Stalingrad-Kessel am 31. Januar und 2. Februar 1943 hatte das Volk wie ein Keulenschlag getroffen: Diese Depression wollte Goebbels nun in einen wilden Fanatismus verwandeln.

[9] Schon seit der sowjetischen Offensive im Oktober 1944, die nach Anfangserfolgen noch einmal abgeschlagen wurde, verlief die Front endgültig auf deutschem (ostpreußischen) Boden – anschwellende Flüchtlingsströme fluteten, solange sie noch konnten, gen Westen. 

[10] Dazu der Große Ploetz aaO. S. 911: „Am 12. Januar 1945 beginnt die (russische) Großoffensive gegen die von allen Reserven entblößte deutsche Ostfront ... Sie wird für die Bewohner der deutschen Ostgebiete zur Katastrophe“. 

 

[11] Ende Januar 1945 waren russische Verbände an Elbing vorbei zum Frischen Haff vorgestoßen und hatten damit den ostpreußischen Flüchtlingstrecks den Landweg abgeschnitten. 

[12] Goebbels hatte diesen Film, der die heroische Verteidigung der Festung Kolberg gegen Napoleon im Jahre 1807 als todesverachtendes Heldenepos zu inszenieren hatte, im Sommer 1943 (!) beim Regisseur Veit Harlan in Auftrag gegeben, der mit Heinrich George, Kristina Söderbaum u.a. dann auch einen eindrucksvollen Durchhaltefilm zustande brachte – mit Kosten von 2,5 Mio. RM den teuersten Film des Reichs. In seiner Autobiographie schiebt Harlan alle politische Verantwortung auf Goebbels und nimmt für sich selbst die vergewaltigte Künstlerseele in Anspruch, vgl. Im Schatten meiner Filme, 1966 S. 180 ff. (H. sollte später einmal durch seinen früheren Film Jud Süß traurige Berühmtheit erlangen, vgl. auch zu den Hamburger Prozessen gegen ihn: Kuhlbrodt in MHR 1/1991, S. 25-29, auch MHR 2/1991, S. 9). 

 

[13] Am 30. Januar 1945 (!!) fand die Berliner Uraufführung statt; dann wurde der Film landauf, landab vor zusammengetrommeltem Publikum gezeigt. Aber das kam zu spät; Roland Makowka war gewiss nicht der Einzige, auf den der Film so wirkte, wie er gerade nicht wirken sollte. 

[14] Nachdem der Landweg abgeschnürt worden war (oben Anm. 11), richtete sich die Hoffnung Hunderttausender auf den Hafen Pillau, weil von dort der Sprung zur Frischen Nehrung und auf ihr der Weg nach Danzig zu winken schien; aber die einzige Straße auf der schmalen Nehrung war hoffnungslos überfüllt, so blieb als letzte Hoffnung die Marine; dazu Gajus Becker, Flucht übers Meer – Ostsee – deutsches Schicksal 1945, S. 177-185.  

[15] vgl. hierzu und zu allem Hans Graf von Lehndorff: Ostpreußisches Tagebuch, 29. Auflage, dtv. 2005. Lehndorf war Arzt in Insterburg – nahe Wehlau - gewesen, wurde dort im Januar 1945 Zeuge einer unbeschreiblichen Flüchtlingsnot und setzte am 21. Januar, nachdem die Klinik Insterburg aufgegeben worden war, seinen Dienst in Königsberg (bis 1947) fort. Die Aufzeichnungen „Königsberg unter den Russen“ (Kpt. 3) beginnen mit dem 9. April und lässt ahnen, welchem Grauen die Familie Makowka noch in letzter Minute hatte entrinnen können.

[16] Die Rettung von Flüchtlingen und Verwundeten über die Ostsee vom Januar 1945 bis zum Tage der Kapitulation am 8. Mai ist ein Ruhmesblatt der deutschen Marine. Von Pillau wurden auf diese Weise 451.000 Flüchtlinge und 141.000 Verwundete, von Danzig-Gotenhafen-Hela insg. 1.347.000 Menschen, etwa 150.000 von weiteren Ostseehäfen in den Westen gerettet. Das Risiko war beträchtlich; vom Januar bis zum 25.04.1945 sind in der östlichen Ostsee neun große Flüchtlingstransporter versenkt worden. Dennoch ist beachtlich, dass bei ca. 2 Mio. geretteten Flüchtlingen und Verwundeten die Verlustquote doch nur bei ca. 1% gelegen hat, vgl. dazu i.e. Becker aaO. (Anm. 13) S. 265 f. Über die Fluchten aus Pommern über Land und Meer vgl. den Bericht Christian Graf von Krockows: Die Stunde der Frauen – Bericht aus Pommern 1944 bis 1947, dtv 1998 (9. Aufl.). 

[17] Daraus war bekanntlich nach dem Kriege alsbald Kaliningrad geworden, wofür der Name des Altbolschewisten aus Lenins Tagen M. I. Kalinin herhalten musste, der schließlich noch 27 Jahre lang Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR gewesen und 1946 zu seinem Glück nicht liquidiert, sondern in Pension geschickt worden war. Heute scheinen die Einwohner und Fremdenführer der Erinnerung an „Königsberg“ (und Immanuel Kant, dessen Andenken sich schwerlich auf Kalinin reimt) mit einer gewissen Erleichterung wieder den Vorzug zu geben. 

[18] Darüber Makowkas Bericht: Eine Reise nach Königsberg, MHR 1/1995, S. 6.