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Auf Wiedersehen, Herr Tiedje

 

Am 04.05.2008 erschien in der Euro am Sonntag folgender Beitrag als Antwort auf den Beitrag "Auf Wiedersehen in Karlsruhe" vom 20.04.08

 

Vor zwei Wochen ging Gastautor Hans-Hermann Tiedje an dieser Stelle auf den Prozess um den Unternehmer Alexander Falk ein. Der Hamburgische Richterverein sieht einen Kollegen diffamiert und nimmt deshalb - außergewöhnlich in einem laufenden Verfahren - nun Stellung.

Gerhard Schaberg

 

Bizarr ist nicht der Prozess gegen Alexander Falk in Hamburg, da hat es weitaus schlimmere Verfahren in der Bundesrepublik gegeben! Bizarr ist, dass sich der Angeklagte mit Hans-Hermann Tiedje nicht nur einen Vertrauten, sondern einen Public-Relations-Berater hält! Noch dazu einen, der zwar Jura studiert, wohl aber kaum verstanden hat. Da war es für die Justiz und die Rechtsanwälte ein Segen, dass er zum Journalisten und Chefredakteur wurde. Den Juristen ist damit erspart geblieben, sich mit so unqualifizierten Argumenten auseinandersetzen zu müssen, wie sie Tiedje seit einiger Zeit an den Mann, sprich die Presse, bringt. Seine Methode ist einfach und offenbar bei "Bild" erlernt: Man gehe von Fakten aus, verschweige Tatsachen, die nicht ins Konzept passen, und ziehe Schlüsse, die nur darauf abzielen, sich selbst ins rechte Licht zu setzen und den Kontrahenten zu verunglimpfen. Sofern Tiedje je etwas vom Falk-Verfahren hat verstehen wollen, blieb es bei seinem Bemühen. Verstanden hat er nichts.

Erstens: Fakt ist, es gibt das Verfahren gegen Falk. Fakt ist, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft von Anfang an den dringenden Verdacht hatte, Falk werde verurteilt. Fakt ist, dass dieser Verdacht mehrfach vom Oberlandesgericht geprüft und für richtig befunden wurde. Fakt ist, dass das gescholtene Landgericht Falk vom Vollzug der Haft verschont hat. Fakt ist, dass Tiedje das alles weiß, seinen Lesern aber verschweigt.

Zweitens: Fakt ist, dass der angenommene Schaden ursprünglich bei über 500 Millionen Euro lag. Fakt ist, dass nicht das Verfassungsgericht die Schadenhöhe reduziert hat, sondern das Landgericht im Zuge der Beweisaufnahme aus eigenem Ermessen. Fakt ist, dass Tiedje das weiß und unterschlägt.

Drittens: Fakt ist, dass der Gutachter des Gerichts zur Höhe des Schadens nie Angaben gemacht hat, sondern lediglich zum Wert eines Aktienpakets. Die Feststellung der Schadenhöhe ist Aufgabe des Gerichts. Fakt ist, dass Tiedje das hätte wissen können, wenn er im ersten Semester seines Jurastudiums besser aufgepasst hätte. Zwei Mitangeklagte Falks haben sich schuldig bekannt.

Viertens: Fakt ist, dass nicht der Fall Falk/Energis einzigartig ist, sondern das Unternehmen Ision es war, dessen Marktpreis offenbar nur schwer zu ermitteln ist. Fakt ist, dass Tiedje die Komplexität des Vorwurfs, den die Staatsanwaltschaft seinem Klienten Falk macht, entweder nicht verstehen kann oder nicht verstehen will.

Fünftens: Fakt ist, dass Tiedje in alter "Bild"-Manier versucht, mit seinen Halbwahrheiten und Unterstellungen den Vorsitzenden Richter Nikolaus Berger lächerlich zu machen und ihn in die Nähe der Rechtsbeugung zu rücken. Über Berger schüttelt niemand den Kopf, sonst wäre er nicht einhellig im Richterwahlausschuss von Bundestagsabgeordneten aller Couleur zum Richter am Bundesgerichtshof gewählt worden.

Wer über Tiedje den Kopf schütteln will, sollte sich vorsehen. Angesichts der unsäglichen Art seiner Berichterstattung besteht die Gefahr eines Schleudertraumas! Denn Fakt ist, dass sich zwei der Mitangeklagten des Angeklagten Falk schuldig bekannt haben. Das weiß Falk, das weiß die ganze Welt, das verschweigt aber Tiedje, dem es auf Wahrheit nicht ankommt, wenn er nur Stimmung machen kann.

Auf Wiedersehen, Herr Tiedje - hoffentlich nicht vor Gericht!

Gerhard Schaberg


Anmerkung:

Der Richterverein hat in der Person seines Vorsitzenden die stets gewahrte Position, laufende Verfahren nicht zu kommentieren, durchbrochen. Mir erschien dies angesichts der schweren Vorwürfe, die gegen unseren Kollegen Dr. Berger erhoben worden sind, unumgänglich. Bereits mit Prozessbeginn wurde Dr. Berger in einem Ablehnungsantrag des Verteidigers Dr. h.c. Strate in die Nähe der NS-Justiz gerückt. Die Verteidiger des Angeklagten Falk haben Ihre Anträge und einen Teil der Gerichtsbeschlüsse über das Internet einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht - auch dies ein ungewöhnliches Unterfangen. Dass aber ein Angeklagter durch einen Public-Relation-Berater versucht, über die Presse die Öffentlichkeit gegen das Gericht aufzubringen, versucht, das Gericht lächerlich zu machen und insbesondere den Vorsitzenden Richter diffamiert, ist in meinen Augen so einzigartig, dass eine Reaktion des Vorsitzenden des Richtervereins geboten war. Angesichts der Schärfe der Angriffe habe ich mich meinerseits nicht gescheut, polemisch zu reagieren. Die erste Stellungnahme meinerseits hat die FINANCIAL TIMES als Leserbrief abgedruckt. Die zum Springer-Konzern gehörende EURO-NEWS hat den Artikel als Kolumne abgedruckt. Es wird zu überlegen sein, im Rahmen einer Podiumsdiskussion einmal das Verhältnis Gericht - Presse umfassend zu diskutieren.

 

Gerhard Schaberg