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Christoph Hardt (2. v.l.) berichtet über seinen Besuch der Cour Administrative d’Appel de Marseille, wo ihn deren President Léger empfing. Christoph Hardt ist Vorsitzender Richter am Finanzgericht Hamburg und Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts. Der vollständige 21seitige Bericht kann von unserer Homepage www.richterverein.de aus der Rubrik Kultur/Ausland heruntergeladen werden.
(Red.)
Hamburger Richterbesuch beim französischen Oberverwaltungsgericht
Im Juni 2008 war im Rahmen des europäischen Richteraustauschs erstmals ein Hamburger Richter an einem Gericht in der Partnerstadt Marseille tätig. Die cour administrative d’appel entspricht einem deutschen Oberverwaltungsgericht einschließlich Finanzgericht. Ich habe dort in der 3. Kammer unter dem Vorsitz meiner dortigen Kollegen Darrieutort und Bedier mitgearbeitet. Diese Kammer ist zuständig für steuerrechtliche Berufungen aus Bastia (Korsika), Marseille und Nîmes.
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich ist wie in Deutschland dreistufig. Eingangsgericht ist das tribunal administratif. Als Berufungsinstanz wurden die cours administratives d’appel erst ab 1989 eingeführt. Revisionsgericht ist der Conseil d’État, der 1799 durch Napoléon eingesetzt wurde. Die sachliche Zuständigkeit der französischen Verwaltungsgerichte umfasst anders als in Deutschland auch öffentliche Aufträge einschließlich Leistungsstörungen (marchés publics). Die Verwaltungsgerichte haben sich auch mit Amtshaftungssachen (responsabilité) zu befassen, darunter häufig mit Schadensersatzklagen gegen öffentliche Krankenhäuser wegen ärztlicher Behandlungsfehler (responsabilité hospitalière).
Ehrenamtliche Richter gibt es bei den französischen Verwaltungsgerichten nicht. Jeder Kammer ist ein commissaire du gouvernement zugeordnet. Dieser gehört zum Richterkollegium und studiert neben den Berichterstattern alle Akten und gibt in der mündlichen Verhandlung sein persönliches Votum zu jeder Sache ab.
In der mündlichen Verhandlung tragen die Verwaltungsrichter keine Roben, anders als Zivil- und Strafrichter oder Anwälte. Neues Vorbringen ist in der Verhandlung nicht mehr möglich. Die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen endet spätestens drei Tage vorher. Durch den commissaire du gouvernement erhalten Beteiligte und Öffentlichkeit eine Information, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aus gerichtlicher Sicht voraussichtlich eine Rolle spielen werden. Geplant ist eine Reform, nach der den Beteiligten im Anschluss an seine Stellungnahme noch eine Äußerung erlaubt werden soll.
Der Richteraustausch gewährte nicht nur interessante Einblicke in das französische Recht, sondern auch in die regionalen Besonderheiten einschließlich Korsikas (zum Beispiel Buchführung infolge Sprengstoffanschlag vernichtet). Auch eine Mitarbeit an der Lösung konkreter Streitfälle nach europäischem Recht war möglich, insbesondere auf dem Gebiet der harmonisierten Umsatzsteuer. Dabei konnten die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs über Vorlagebeschlüsse aus Deutschland und Hamburg ebenso verwertet werden wie nachfolgende Urteile aus französischen und deutschen Datenbanken.
Christoph Hardt