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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

die Mitgliederversammlung des Richtervereins hat getagt. Sie hat den Vorstand mit neuer Legitimation versehen. Gerhard Schaberg hat sich zur Führung von Vorstand und Verein erneut in die Pflicht nehmen lassen. Neue tatkräftige Stellvertreter stehen ihm zur Seite. Auch die übrigen Vorstandsmitglieder werden ihr Bestes geben, um zum Wohle aller Kollegen zur Verwirklichung der von Gerhard Schaberg auf der Mitgliederversammlung beschriebenen Ziele beizutragen.

Auch die Auswahl des Gastredners diente diesem Zwecke. Ein Ärztepräsident als Spitzenredner auf einer Richterversammlung hat durchaus seine Berechtigung. Montgomery hat seine aus Individualisten bestehende Ärzteschaft zu einer schlagkräftigen Truppe geformt. Die Anlässe hierzu (Arbeitsverdichtung bei verkürzten Zuwendungen) bestehen bei der Richterschaft in ähnlicher Weise und schüren bei ihr in gleicher Weise den Unmut. Inwieweit die von der Ärzteschaft zur Durchsetzung ihrer Anliegen gewählten Mittel auf die Richterschaft übertragen werden können, wird zu prüfen sein.

Wichtige Denkanregungen bot Montgomerys Rede aber allemal. Dass diese Anregungen auch von den Mitgliedern des Richtervereins begrüßt werden, zeigte der enthusiastische Applaus auf der Mitgliederversammlung überdeutlich. Die Umsetzung wird nicht einfach werden. Richterliches Mäßigungsgebot und richterliches Selbstverständnis werden eine auf Provokationen fußende Öffentlichkeitsarbeit nicht gerade fördern.

Andererseits wird die Richterschaft von sie treffenden negativen Entscheidungen der Politik zu Reaktionen getrieben. Das Positionspapier des Richtervereins zur Gehaltsanpassung (in diesem Heft, Seite 6) und der Bericht über die Dienstrechtsneuordnung (Seite 7) sind nur einzelne beredte Beispiele einer ganzen Kette. Und die weltweite Finanzkrise wird der Politik Anlass geben, uns weitere Son­deropfer zuzumuten.

Argumente unsererseits werden freiwillig allenfalls bei Angelegenheiten gehört, die nichts kosten, also bei neutralen Strukturfragen. Haushaltsrelevante Punkte bedürfen dagegen verstärkter Öffentlichkeitsarbeit.

Gerhard Schaberg hat diese Erkenntnis schon in der vergangenen Wahlperiode durch eine gegenüber früheren Wahlperioden verstärkte Medienpräsenz bereits in die Wege geleitet (vgl. MHR 1/2008, 2).

Wenn weitergehende Maßnahmen forciert werden, so kann das durchaus auch höheren finanziellen Aufwand bedeuten; und dies vor dem Hintergrund der vom Vorsitzenden ohnehin für nächstes Jahr avisierten Beitragserhöhung (Seite 6).

Wenn nicht bereits in Krisenzeiten der Weg vorbereitet wird, wird es in guten Zeiten zu spät sein, einer Forderung nach Teilhabe an den dann veränderten Umständen den erforderlichen Nachdruck zu verleihen. Bis dann der Zug in Gang gekommen sein wird, sind die guten Zeiten schon wieder vorbei. So war es bei vergangenen guten Zeiten und so wird es bei künftigen guten Zeiten sein. Darum kann die weltweite Finanzkrise kein Grund sein, nicht schon jetzt zu handeln, auch wenn Augenmaß geboten ist.

Augenmaß hat der Richterverein mit seiner angesichts des rückständigen Gehaltsniveaus moderaten Gehaltsforderung von 7,5 % p.a. bewiesen. Die vom Personalamt avisierte Erhöhung um 3 % in diesem Jahr und um 1,2 % im nächsten Jahr trägt dem nicht im Geringsten Rechnung. Wenn Politik Augenmaß nicht zu würdigen weiß, dann zwingt sie uns in eine Rolle, die wir eigentlich nicht übernehmen wollen, dann aber übernehmen müssen.

 

Ihr
Wolfgang Hirth