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Zur Neuregelung des

Dienstrechtes in Hamburg

A. Allgemeines

Der Senat hat sich mit einem Gesetzentwurf zur Neuregelung des hamburgischen Beamtenrechts (dazu unter B.) befasst, die Gewerkschaften und Berufsverbände gemäß § 100 Hamburgisches Beamtengesetz (HmbBG) beteiligt sowie Eckpunkte für eine Dienstrechtsreform in Hamburg für den Bereich Besoldung und Versorgung (dazu unter C.) zur Kenntnis genommen. Der Hamburgische Richterverein hat zu diesem Gesetzentwurf Stellung genommen, was in diesen Beitrag einfließt. Hintergrund der Neuregelung ist die nachfolgend dargestellte Neuordnung der Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich.

Seit der Änderung des Grundgesetzes erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes mit Wirkung vom 01.09.2006 auf die Statusrechte und ‑pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG).

Bezogen auf die Statusrechte und -pflichten hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz mit dem Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamten in den Ländern - Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) - vom 17.06.2008 (BGBl I 2008, 1009), das im Wesentlichen ab 01.04.2009 in Kraft tritt, Gebrauch gemacht. Für Richter im Landesdienst gelten die Vorschriften des Ersten und Dritten Teils des Deutschen Richtergesetzes sowie über § 71 DRiG (ab 01.04.2009) die Vorschriften des BeamtStG entsprechend, soweit das DRiG nichts anderes bestimmt (vgl. auch Art. 98 Abs. 3 GG). Das Grundgesetz sieht als Übergangsregelung vor, dass die statusbezogenen Vorschriften des Beamtenrechtsrahmengesetzes in den Ländern als Bundesrecht fortgelten, wobei bestehende Regelungsmöglichkeiten und Regelungspflichten des Landesrechtes hiervon unberührt bleiben (Art. 125b Abs. 1 GG).

Bezogen auf die Bereiche Laufbahnen, Besoldung und Versorgung, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen, sieht das Grundgesetz vor, dass bestehendes Bundesrecht als Bundesrecht fortgilt, jedoch jederzeit durch Landesrecht ersetzt werden kann (Art. 125a Abs. 1 GG).

B. Gesetzentwurf zur Neuregelung des hamburgischen Beamtenrechts

Die norddeutschen Länder haben sich darauf verständigt, die Grundstrukturen des Beamtenrechts so auszugestalten, dass eine dienstherrenübergreifende Mobilität gesichert und eine gleichgerichtete Entwicklung des öffentlichen Dienstrechts in den norddeutschen Ländern gefördert wird. Die Norddeutschen Küstenländer haben ein Muster-Landesbe­amtengesetz (Muster-LBG) erarbeitet, das der Neugestaltung des HmbBG zugrunde liegt.

Mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des hamburgischen Beamtenrechts werden neben der Änderung des HmBG (HmbBG-E) auch einzelne Vorschriften des Hamburgischen Richtergesetzes (HmbRiG-E) geändert.

Angesichts des Ziels des Senates, die Stellung der unabhängigen Justiz durch Selbstverwaltung zu stärken, berücksichtigt der Gesetzentwurf die Besonderheiten der Stellung der Richter und Staatsanwälte nur unzulänglich. Es bleibt abzuwarten, ob der in dieser Legislaturperiode erwartete Gesetzentwurf zur Selbstverwaltung der Justiz auch dazu führen kann, das gesamte Dienstrecht der Staatsanwaltschaft und Richterschaft in Hamburg eigenständig zu regeln.

I. Änderungen des HmbBG-E im auszugsweisen Überblick

HmbBG-E folgt in seinem Aufbau dem BeamtStG. Es ergänzt das BeamtStG, enthält jedoch auch eigenständige Regelungen, soweit der Bund auf eine Regelung verzichtet (z. B. Regelung der Zeitbeamtenverhältnisse, Nebentätigkeits-, Arbeitszeit- und Urlaubsrecht) bzw. keine Kompetenz (Laufbahnrecht) hat.

Die Vereinfachung des Laufbahnrechtes, die der Gesetzentwurf vorsieht, hat für Staatsanwälte und Richter keine weitere Bedeutung. Weiterer Regelungsinhalt des HmbBG-E ist, dass zur Stärkung des Leistungsprinzips Bewerber mit langjähriger geeigneter Berufserfahrung außerhalb des öffentlichen Dienstes die Einstellung in einem höheren Amt als dem Einstiegsamt erleichtert werden und künftig wegen hervorragender Leistungen in der Probezeit eine schnelle Beförderung bereits vor Ablauf einen Jahres nach Beendigung der Probezeit möglich sein soll. Zudem soll der Wechsel zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft sowie von Beamten zu internationalen Organisationen erleichtert werden, um Erfahrungen in die öffentliche Aufgabenwahrnehmung einfließen zu lassen. Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes sollen grundsätzlich auf die Probezeit angerechnet werden.

Die allgemeine Altersgrenze wird, entsprechend den Anhebungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, auf die Vollendung des 67. Lebensjahres festgelegt und schrittweise angehoben. Beachtlich ist die Regelung, dass für Beamte der Senat den Eintritt in den Ruhestand um bis zu 3 Jahre hinausschieben kann, zum einen aus dienstlichen Gründen mit Zustimmung des Beamten oder zum anderen auf Antrag des Beamten, wenn dienstliche Interessen nicht entgegenstehen (§ 35 Abs. 4 HmbBG-E). Diese Regelung weicht von der für die Richterschaft vorgesehenen Regelung ab (s.u.) und ist bezogen auf die Staatsanwaltschaft abzulehnen. Die Antragsaltersgrenze wird für schwerbehinderte Beamte auf das 62. Lebensjahr angehoben, für die anderen Beamten bleibt sie beim 63. Lebensjahr.

Nebentätigkeiten sind grundsätzlich anzeigepflichtig (§ 40 BeamtStG). Anzeigefrei sind nur bestimmte Tätigkeiten, beispielsweise Tätigkeiten in Berufsverbänden oder bestimmte unentgeltliche Nebentätigkeiten (§ 72 HmbBG-E). Eine Nebentätigkeit ist (teilweise) zu untersagen, wenn dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Dies soll in der Regel anzunehmen sein, wenn die zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten acht Stunden in der Woche überschreitet. Im Unklaren bleibt, ob diese Regelung auf einzelne Wochen bezogen sein soll oder auf einen längeren Zeitraum. Im Übrigen erscheint diese Regelung für die Staatsanwaltschaft und Richterschaft unpraktikabel bzw. unanwendbar (beispielsweise im Hinblick auf wissenschaftliche Veröffentlichungen, Prüfungstätigkeit).

II. Änderungen des HmbBRiG-E im auszugsweisen Überblick

Auch für Richter wird die Regelaltersgrenze angehoben auf die Vollendung des 67. Lebensjahres. Es erfolgt eine stufenweise Heraufsetzung der Regelaltersgrenze bis zu diesem Zeitpunkt wie im HmbBG-E für die Jahrgänge 1947 bis einschließlich 1963. Neu ist eine Regelung, wonach auf (voraussetzungs­losen) Antrag ein Richter auf Lebenszeit bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres arbei­ten kann, auch wenn sie oder er nicht zu den Jahrgängen 1964 und jünger gehört. Ob die gewünschte flexiblere Handhabung der Altersgrenze tatsächlich zu einem positiven Effekt durch längere Nutzung des Erfahrungsschatzes älterer Kollegen führt, ist mittelfristig zu prüfen. Unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Unabhängigkeit ist gegen diese Regelung, die ein Hinausschieben der Altersgrenze ohne Voraussetzungen ermöglicht, nichts einzuwenden. Allerdings bestehen diesbezüglich allgemein politische Bedenken (z. B. mögliche Fehleinschätzung individueller Leistungsfähigkeit, nachteiliger Einfluss auf die Altersstruktur, eventuelle verzögerte Neueinstellungen).

Abzulehnen ist die vorgesehene Neuregelung des Verfahrens bei Dienstunfähigkeit bzw. begrenzter Dienstfähigkeit (§ 88 HmbRiG-E). § 88 HmbRiG-E sieht vor, dass das bisherige Ermittlungsverfahren (§ 88 Abs. 5 HmbRiG) nicht mehr durchzuführen ist (vgl. auch § 88 Abs. 3 HmbRiG-E). Das Ermittlungsverfahren ist allerdings systematisch wegen der Parallelität des Zwangspensionierungsverfahrens zu dem Disziplinarverfahren geboten. Entscheidend ist, dass § 88 HmbRiG-E jedoch in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verschiedene Verfahren und unterschiedliche Entscheidungswege vermengt. Es ist klar danach zu differenzieren, ob das Verfahren Lebenszeitrichter oder aber Proberichter bzw. Richter kraft Auftrags betrifft. Dies ergibt sich schon aus Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellte Richter wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung vor Ablauf ihrer Amtszeit in den Ruhestand versetzt werden können. Bisher ist dies auch in § 78 DRiG und § 88 HmbRiG entsprechend umgesetzt. Demgegenüber sieht § 88 HmbRiG-E keine solche Differenzierung vor. Zudem ergibt sich aus § 88 Abs. 5 HmbRiG-E, dass zusätzlich der Verwaltungsrechtsweg wegen einer vorläufigen Bezügekürzung eröffnet ist, obwohl - bundesgesetzlich vorgegeben - das Richterdienst­gericht für dieses Verfahren zuständig ist.

C. Zu den Eckpunkten für eine Dienstrechtsreform in Hamburg

Für die Bereiche Besoldung und Versorgung hat der Senat bisher ein sogenanntes Eckpunktepapier zur Kenntnis genommen. Ein ausführlicher Gesetzentwurf, der dieses Eckpunktepapier umsetzt, ist den Verbänden noch nicht gemäß § 100 HmbBG zugeleitet worden. Die nachfolgende Darstellung gibt daher nur einen Überblick über die beabsichtigten Regelungen.

Das Eckpunktepapier sieht vor, die Besoldung und Versorgung durch ein Gesetz zu regeln. Eingetragene Lebenspartnerschaften werden im gesamten öffentlichen Dienstrecht, insbesondere im Besoldungs- und Versorgungsrecht, mit der Ehe gleichgestellt werden.

Die Besoldungsordnungen A und R (hier R1 und R2) erhalten für jede Besoldungsgruppe acht Erfahrungsstufen. Der Aufstieg in diesen Stufen erfolgt nach Erfahrungszeiten. In den ersten Erfahrungsstufenaufstiegen gibt es einen stärkeren Gehaltsanstieg, wobei der Betrag in der ersten Stufe erhöht wird. Dies soll unter Einbeziehung von Besonderheiten auch für die R1- und R2-Besoldung gelten. Eine Überleitung in die neuen Besoldungstabellen erfolgt unter Berücksichtigung des im jetzigen System zu erwartenden Lebenseinkommens nach dem Grundsatz der Besitzstandswahrung. Hier wird zu berücksichtigen sein, dass die Ämter der R-Besoldung nicht auf „Karriereverläufe“ ausgerichtet sind. Die unterschiedlichsten Funktionen werden einheitlich besoldet. Die vorgesehene Überleitung und die Erhöhung der Eingangsbesoldung dürfen keinesfalls zu Einbußen führen. Im Übrigen ist darauf zu achten, dass Bewerbern mit Erfahrung in anderen juristischen Berufen entsprechende Vortätigkeiten anerkannt werden.

Der um 50  erhöhte Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind wird dauerhaft gezahlt. Die Sonderzahlungsregelungen („Weihnachtsgeld“) bleiben inhaltlich unverändert.

Im Versorgungsrecht werden im Zuge der Anhebung der Regelaltersgrenze die Versorgungsabschläge neu geregelt. Es bleibt bei der Verminderung des Ruhegehalts um 3,6 % für jedes Jahr einer früheren Versetzung in den Ruhestand. Der Versorgungsabschlag beträgt dann bei einer Versetzung mit Vollendung des 63. Lebensjahres 14,4 % (für Schwerbehinderte und bei nicht auf einem Dienstunfall beruhender Dienstunfähigkeit wegen der besonderen Grenzen maximal 10,8 %). Die Versorgungsabschläge erfolgen nicht, wenn mit Vollendung des 65. Lebensjahres 45 Jahre mit ruhegehaltsfähigen Dienst­zeiten zurückgelegt wurden, bzw. bei Dienstunfähigkeit mit Vollendung des 63. Lebensjahres 40 Jahre ruhegehaltsfähige Dienstzeiten. Für die Berechnung, ob die ruhegehaltfähigen Dienstzeiten den Versorgungsabschlag verhindern, werden Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (ohne Zeiten der Arbeitslosigkeit), nicht erwerbsmäßige Pflegezeiten und Kindererziehungszeiten bis zum vollendeten 10. Lebensjahr des Kindes berücksichtigt. Die Abschläge bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand führen dazu, dass nur wenige einen früheren Ruhestand sich werden leisten können. Angesichts der ebenfalls vorgesehenen verringerten Anrechnung von Hochschulzeiten können Staatsanwälte und Richter wegen ihrer langen Ausbildungszeit 45 oder 40 Jahre ruhegehaltfähige Dienstzeiten praktisch nicht erreichen. Diese Regelungen sollten entsprechend angepasst werden.

Hochschulausbildungszeiten werden künftig nur noch mit 855 Tagen (= ca. zwei Jahre und vier Monate) berücksichtigt. Dies geht zu Lasten derjenigen, die ihr Verhalten nicht mehr darauf einstellen können. Im Übrigen ist der Wert von 855 Tagen Hochschulausbildung so weit von dem entfernt, was nach dem DRiG (i.V.m. den JAG) Voraussetzung für den Berufszugang ist, dass allein schon deshalb eine Verkürzung nicht zu rechtfertigen ist.

Die 2001 eingeleitete stufenweise Absenkung des Versorgungsniveaus von 75 % auf 71,75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge wird fortgesetzt und der Erhöhung der Altersgrenze angepasst. Dies bedeutet einen geringeren prozentualen Wert eines Dienstjahres bei der Berechnung der Versorgungsbezüge.

D. Fazit

Der vorliegende Gesetzentwurf zum Statusrecht enthält insbesondere im HmbRiG einige kritisch zu würdigende (Erhöhung der Regelaltersgrenze, ggf. auf Antrag) und teils bedenkliche (Verfahren bei Dienstunfähigkeit) Regelungen.

Im Eckpunktepapier sind Grundzüge der neuen Besoldung und Versorgung enthalten (Erfahrungsstufen, Überleitung der jetzigen Besoldung, Versorgungsabschläge, geringere Berücksichtigung von Hochschulausbildungszeiten), die ebenfalls kritisch zu betrachten sind. Entscheidend wird sein, wie ein konkreter Gesetzentwurf diese Vorstellungen umsetzt.

Reiner Fu