(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/09, 12) < home RiV >

Amtsangemessene Besoldung

– Fragen und Denkanstöße -

 

In den vergangenen Jahren sind sowohl die einzelnen Landesverbände des deutschen Richterbundes als der Deutsche Richterbund selbst zunehmend aktiv geworden, um für eine bundesweit möglichst einheitliche, angemessene Besoldung der deutschen Richter und Staatsanwälte zu kämpfen[1]. Noch aber sind wir deutschen Richter und Staatsanwälte auf dem vorletzten Platz, hinter uns ist nur noch Moldawien.

In der Klauselkontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gibt es anerkanntermaßen den Summierungseffekt[2]. Führt in Bezug auf die Richterbesoldung nicht die Vielzahl der Verschlechterungen der letzten zwanzig Jahre inzwischen zu einer grundrechtsrelevanten Verletzung des Alimentationsprinzips[3]? Und ist diese selbst unter Berücksichtigung aller unbestreitbaren Privilegien unseres Berufes noch hinnehmbar? Der frühere Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts Rapp erwähnte anlässlich der Feier zu seiner Verabschiedung, dass seine Metamorphose vom „zurückhaltenden Richter“ zum „aufmüpfigen Bürger“ beständig voranschreite. Wann ist der Punkt erreicht, dass wir zum „aufmüpfigen Richter“ oder Staatsanwalt werden müssen, um die Funktionsbedingungen unseres Berufes zu sichern?

Die Erosion in sozialen Systemen verläuft exponentiell - erst schleichend und zumeist unbemerkt, dann aber lawinenartig. Der gefährlichen Teufelskreis von mangelnder Attraktivität für den qualifiziertesten Nachwuchs, zunehmender Enttäuschung der rechtsuchenden Bürger und sich weiter verschlechternder Mittelausstattung durch Legislative und oder Exekutive ist längst im Gange.

Neben den schon bisher bekannten Gesichtspunkten weit überdurchschnittlich sinkenden Realeinkommens[4] verdienen aus meiner Sicht einige weitere Aspekte in den zu führenden Diskussionen und Verhandlungen mehr Beachtung als bisher:

 

1.         Die jetzige Entwicklung ist für Kollegen und Kolleginnen, die überwiegend teilzeitbeschäftigt sind oder waren, besonders nachteilig. Eine angemessene, ausreichende eigene Altersversorgung ist mit der jetzigen Besoldungsstruktur nicht zu erreichen, geschweige denn die Bildung irgendwelcher Rücklagen. Die Benachteiligung von Eltern und vor allem Frauen, die die Doppelbelastung von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung auf sich nehmen, wird damit lebenslänglich fortgesetzt.

Bedenkt man in diesem Zusammenhang noch, dass sich inzwischen auch das Unterhaltsrecht nach dem Gesetzeswortlaut zwar geschlechtsneutral, aber in der derzeit bestehenden rechtspolitischen Wirklichkeit dramatisch zu Lasten der Kinder erziehenden Frauen verschlechtert hat, könnte dies möglicherweise manche betroffene Kolleginnen durchaus nachdenklich machen. Was ist, wenn der Ehepartner früh verstirbt? Sind Richterinnen und Staatsanwältinnen davor gefeit, dass die bestehende Ehe zerbricht?[5]

 

2.         Zu erwarten ist für zukünftige Pensionäre eine Erhöhung der Ruhestandsgrenze auf 67 Jahre. Diese wird schrittweise und langfristig vollzogen[6]. Die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestandseintritts mit 63 Jahren wird voraussichtlich zu noch größeren Abschlägen bei den Versorgungsbezügen als schon bisher führen.

 

3.         Kürzungen bei anderen Sozialleistungen wirken sich zusätzlich benachteiligend aus. Dies gilt insbesondere für Kürzungen im Bereich der Beihilfe sowie die Verkürzung des Kindergeldes auf das 25. Lebensjahr. Diese führt gerade in langen Ausbildungsgängen wie Medizin und Jura, bei Richterkindern ein nicht ganz ungewöhnlicher Studiengang, zu einer signifikanten, faktischen Gehaltskürzung. Gleichzeitig mit dem Wegfall des Kindergeldes sinkt der eigene Beihilfeanspruch um 20 %, wenn noch ein weiteres, ebenfalls in der Ausbildung stehendes Kind vorhanden ist, während die Unterhaltslast durch den Wegfall des Kindergeldes und die Verringerung des Familienzuschlages ausgerechnet in der Studienendphase des älteren Kindes entsprechend steigt.

4.         Die erheblichen finanziellen Mehrbelastungen als Auswirkungen des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2006[7], wonach der Versicherer bei Anpassung des Versicherungsschutzes nach Änderung oder Wegfall der Beihilfeberechtigung für die begehrte Aufstockung des Versicherungsschutzes das aktuelle Lebensalter des Versicherten zugrunde legen darf[8], sind bisher weder bei der Bemessung der Dienstbezüge noch im Rahmen der Beihilfe berücksichtigt worden.

5.         Der nichtrichterliche Bereich wird personell zunehmend ausgedünnt. Die Mehrbelastung durch eigentlich nichtrichterliche Arbeit steigt dadurch notwendig. Schreibfristen von mehreren Monaten in einigen Außengerichten in Hamburg sind nur ein Beispiel. Die jungen Kolleginnen und Kollegen tippen überwiegend ihre Urteile selbst. Steht Richtern und Staatsanwälten insoweit möglicherweise eine Art „Funktionszulage“ zu? Denn ohne diesen Einsatz der Kolleginnen und Kollegen funktioniert Justiz vermutlich nicht mehr ausreichend.

6.         Im Unterhaltsrecht gilt das Prinzip, dass Unterhalt für die Vergangenheit in der Regel nicht gefordert werden kann. Ähnlich hat im Hinblick auf die amtsangemessene Besoldung von kinderreichen Soldaten das niedersächsische OVG im vergangenen Jahr entschieden, dass der Anspruch zeitnah gerichtlich geltend gemacht werden muss, also während des jeweils laufenden Haushaltsjahres[9]. Das dürfte vergleichbar auch für Richter gelten. Im Ergebnis bedeutet dies, dass jedes Zuwarten die Chance auf einen künftigen Ausgleich erlittener Kürzungen mindert.

 

Wollen Sie all dies unverändert hinnehmen?

 

Sabine König


[1] Vgl. insbesondere das vielfältige Material auf der Homepage des DRB www.drb.de  sowie insbesondere die ebenfalls vom DRB gepflegte Seite www.richter­besoldung.de , aber auch auf unserer Hamburger Homepage www.richterverein.de .

[2] Vgl. u.a. BGH, Urteil v. 28.03.2007 - VIII ZR 199/06, NJW 2007, 1743.

[3] Vgl. insbesondere die Beamtenbaby-Entscheidung des BVerfG v 22.03.1990 – 2 BvL 1/86, BVerfGE 81, 363 ff.

[4] Vgl. die anschauliche Grafik aus der Kienbaum-Studie unter www.drb.de/cms/fileadmin/docs/grafik_r-besoldung_080818.pdf

[5] Es soll ja auch vorkommen, dass Männer in die Wechseljahre kommen, wenn sie ihre Ehefrau, die neben einer Halbtags-Berufstätigkeit die gemeinsamen Kinder großgezogen und den Haushalt geführt hat, gegen die jugendliche Freundin wechseln. Jeder Familienrichter kennt solche Fälle.

[6] Der erste Jahrgang, der mit 67 regulär in den Ruhestand tritt, wird der Jahrgang 1964 sein. Ein früher Wechsel in den Ruhestand führt voraussichtlich zu Abschlägen von bis zu 1/7.

[7] Vgl. BGH, Urteil v. 20.12.2006 - IV ZR 175/05, u.a. MDR 2007, 460; der dort genannte § 178e Abs. 2 VVG ist als § 199 Abs. 2 inhaltlich unverändert in das seit 01.01.2009 geltende VVG übernommen worden, lediglich die Frist für den Antrag an die Versicherung ist auf sechs Monate verlängert worden.

[8] Das Urteil bestätigt eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 19.07.2005 - 9 U 28/05.

[9] Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 26.02.2008 – 5 LA 48/07.