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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

 

Das Weihnachtsgeld ist weg - der Senat hat es im September so beschlossen, nachdem der nunmehrige Alt-Bürgermeister dies im Juni in der Bürgerschaft angekündigt hat. Mehr als 3.600  werden jedem von uns gestrichen! Das sind 100.000.000 € bei allen Beamten und Richtern in jedem Jahr. Nicht nur für das nächste Jahr, sondern auch für alle folgenden! Eine Wiedereinführung selbst in besseren Zeiten dürfte damit bei einem solch hohen Betrag unwahrscheinlich werden. Der Alt-Bürgermeister machte das Weihnachtsgeld zum Bestandteil des Sparpakets, nachdem er nur wenige Wochen vorher auf dem Maiempfang für die Gewerkschafter genau das Gegenteil versprochen hatte! Obwohl die Konjunktur wieder angesprungen ist! Und obwohl das Bundesverfassungsgericht zu Besoldungskürzungen gesagt hat,

es könne „das Bemühen, Ausgaben zu sparen, in aller Regel für sich genommen nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung angesehen werden“ (E 114, 258),

und

„die Finanzlage der öffentlichen Haushalte … (vermag) eine Einschränkung des Grundsatzes amtsgemäßer Versorgung nicht zu begründen“ (E 117, 372)!

Wer unsere Leistungen in Anspruch nimmt und dies auch noch stärker als früher (erhöhte Pensen, zusätzlicher Bereitschaftsdienst), der muss dafür auch bezahlen; einseitige Preiskürzungen verletzten das Äquivalenzprinzip. Dass der Haushaltsgeber kein Geld mehr hat, weil er es für die Elbphilharmonie und andere kostspielige Projekte ausgegeben hat, war seine eigene Entscheidung und nicht diejenige der Kollegen.

Inwieweit dies rechtlich in die vom Richterverein unterstützten Musterverfahren für die Besoldung wegen Verletzung der Alimentationspflicht durch das schon zuvor zu niedrige Gehalt (hierzu in diesem Heft, Seite 4) nachträglich eingeführt werden kann, wird noch zu prüfen sein.

Doch die rechtliche Frage ist nur das Eine. Das Andere ist die politische Frage: Ist dem Staat noch an dem Berufsbeamtentum gelegen und wie sollte er dann mit ihm umgehen?

Die Streichung des Weihnachtsgelds bewirkt eine Kürzung des Jahreseinkommens um 4,8 %. Was nützen minimale Gehaltserhöhungen (2010: 1,2 %), wenn im nächsten Atemzug ein Vielfaches gestrichen wird? Schon die Geringfügigkeit der Erhöhung war mit der schlechten Haushaltslage begründet worden; für die anschließende Kürzung wurde dieses unzulässige (s.o.) Argument lediglich wiederholt, für denselben Zeitraum. Wer in derart willkürlicher Weise ausnutzt, dass Beamte und Richter kein Streikrecht haben, weil der Staat zur Alimentierung verpflichtet ist, und wer trotzdem seine Alimentierungspflicht verletzt, der sägt an dem Ast, auf dem er sitzt; der sägt am Berufsbeamtentum als einer der den Staat tragenden Säulen; der sägt daran nicht allein wegen der absoluten Gehaltshöhe, sondern auch wegen der Art und Weise, wie mit uns umgegangen wird.

Am Sparvolumen von jährlich 510 Mio. €, von dem in 2011 nur 406 Mio. € wirksam werden, ist das gestrichene Weihnachtsgeld mit sofort wirksamen 100 Mio. € beteiligt. Ein ganzes Fünftel bis Viertel tragen also die Beamten und Richter. Schon in diesem hohen Anteil kommt eine Geringschätzung des Werts unserer Leistungen zum Ausdruck.

Hamburg nehme sich ein Beispiel an Bayern, das nicht nur weiterhin das Weihnachtsgeld bezahlt, sondern darüber hinaus eine Dienstrechtsreform mit Zusatzkosten von 100 Mio. € durchführt, obwohl diese „nicht so recht in die Zeit der Krise“ passe; aber die Bay. Staatsregierung wolle sich von den Beamten keinen Wortbruch vorwerfen lassen (FAZ 24.06.2010).

 

Ihr Wolfgang Hirth