(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/10, 15) < home RiV >

Bewertungsportal für Richter

 

Bereits aus der Veranstaltungsbeilage der DRiZ 7-8/2010 ergab sich an versteckter Stelle, dass zum Deutschen Juristentag von der Internetseite marktplatz-recht.de, einem Gemeinschaftsprojekt der Firmen Soldan und QNC, ein Bewertungsportal für Richter und Gerichte in Arbeit sei. Mittlerweile haben die Betreiber in einer Pressemitteilung eine nähere Beschreibung geliefert:

„Die Bewertung der Richter und Gerichte erfolgt wie in der Schule anhand eines Notensystems von 1 bis 6. Nach der Eingabe des Gerichts, der Kammer, des Namens des Richters, der Funktion und dem Datum der mündlichen Verhandlung kann der Anwalt seine Noten vergeben. Dabei kommen ausschließlich sachliche Bewertungskriterien zum Einsatz. Unseriöse Beiträge werden sofort gelöscht.

Zu den Bewertungskriterien für das Gericht zählen die die technische Ausstattung, die Besprechungsmöglichkeiten, die Gerichtskantine/Cafeteria, die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Parkmöglichkeiten für Anwälte und ob ein Cafe für Mandantentreffen in der Nähe ist.

Bei der Richterbeurteilung geht es um zügige Terminierungen, die Erreichbarkeit, die Vorbereitung des Richters, die Verhandlungsführung, die fachliche Kompetenz, die Qualität der Hinweise, die Qualität der Beweisaufnahme, die konstruktiven Vergleichsverhandlungen und wie sehr sich der Mandant ‚gerecht‘ behandelt fühlt.

Entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofes bei der ‚Spick-mich-Entscheidung‘ (BGH NJW 2009, 2888)1 ist unter anderem gewährleistet, dass die genannten Richterinnen und Richter Zugang zu den Bewertungen haben und nicht über die Namenssuche bei Google auffindbar sind. Desweiteren ist hier ein geschlossener Benutzerkreis mit entsprechendem Informationsbedürfnis betroffen. ‚Alt-Informationen‘ werden automatisch nach 24 Monaten gelöscht und ‚Ausreißer‘ bei der Bewertung nicht berücksichtigt.“

Im Hinblick hierauf sei das Editorial des Kollegen Ulf Börstinghaus (Gelsenkirchen) aus Heft 29/2009 der NJW zitiert:

„Nun wissen wir es also: Schüler dürfen ihre Lehrer danach bewerten, ob sie sexy, cool oder witzig sind, aber auch danach, ob sie auf den Unterricht gut vorbereitet sind und den Stoff gut vermitteln können. Der BGH (NJW 2009, 2888; …) hat eine Unterlassungsklage einer Lehrerin in letzter Instanz abgewiesen.

Pädagogen und Zeitungskolumnisten orakelten sofort, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit solcher Bewertungsportale ganz anders ausgefallen wäre, wenn es um die Bewertung von Richtern gegangen wäre. Das zeigt wieder, dass Juristen und Lehrer die Tätigkeit des jeweils anderen nur oberflächlich kennen.

Richter stehen mit Ihrer Tätigkeit bereits jetzt in der Öffentlichkeit und sind Kritik an ihren Entscheidungen gewohnt. Die richterliche Tätigkeit unterscheidet sich im Hinblick auf die hier interessierende öffentliche Kontrolle erheblich. Die Tätigkeit des Richters spielt sich gern. § 169 GVG ganz überwiegend in öffentlichen Sitzungen ab. Jedem Bürger ist es gestattet, bei den Verhandlungen zuzuschauen. Auf Grund der Rechtsprechung des BVerfG (zuletzt NJW 2009, 2117) ist selbst die Berichterstattung aus dem Gerichtssaal immer mehr auf dem Vormarsch. Bei Lehrern ist das undenkbar.

Das Ergebnis richterlicher Tätigkeit ist, wenn das Verfahren kein anderes Ende genommen hat, eine Entscheidung. Diese Judikate werden heute vielfach im Internet veröffentlicht. Zudem erfolgte schon immer der Abdruck in Fachzeitschriften, häufig verbunden mit Besprechungen und Anmerkungen. Jenseits von allen Gerichtsshows werden die Öffentlichkeit interessierende Verfahren auch von der Tagespresse und den Nachrichtenmagazinen aufgegriffen. Gerichtsreporter können dabei sehr gut die Qualität der richterlichen Tätigkeit beurteilen und tun dies auch. Es gibt sogar mit dem ‚Justizspiegel‘ eine eigene Rubrik in einer Anwaltszeitschrift, in der sehr pointiert über - vermeintliche - Fehler berichtet wird.

Bewertungsportale müssen - wenn sie Sinn machen sollen - Einfluss auf das Verhalten haben. Ein Restaurant oder einen Arzt oder Anwalt kann ich ebenso auswählen. Hier können die Kunden ihr Konsumverhalten an solchen Portalen ausrichten. Indessen ist dies beim Lehrer nur äußerst eingeschränkt möglich. Im Gerichtsverfahren hilft die Erkenntnis, bei einem coolen oder gut vorbereitenden Richter gelandet zu sein, wenig. Der ‚gesetzliche Richter‘ ist nun einmal der allein zuständige. Weder könnte ein Ablehnungsrecht aus einer Bewertung hergeleitet werden noch ist zu erwarten, dass die Parteien bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung sich auf das Urteil der - wohl unterlegenen - Partei eines anderen Verfahrens verlassen.

Und ein wesentlicher Unterschied ist der, dass gerichtliche Entscheidungen durch Rechtsmittelgerichte überprüft werden können. Das ist besser als jedes Bewertungsportal. Wer schon einmal Rechtsmittelschriften gegen sein eigenes Urteil gelesen hat, den kann kein Bewertungsportal schocken. Dass aber eine Partei am Ende unterliegt und deshalb mit der Justiz hadert, ist systemimmanent. Zumindest das mir bekannte schon existierende Bewertungsportal für Richter ist dann der Ort, um den Frust noch einmal loszuwerden.

Also nichts wie ran: Die Domain richtmich.de ist noch nicht vergeben!“

  (Red.)

                                           

1 Anm. d. Red.: Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil nicht angenommen (Beschluss vom 16.08.2010 - 1 BvR 1750/09).