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Besoldungsbrief des Richtervereins

Hamburg, 14. April 2011

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Scholz,

sehr geehrte Frau Senatorin Schiedek,

sehr geehrter Herr Senator Dr. Tschentscher,

der Vorstand des Hamburgischen Richtervereins nimmt die aktuellen Haushaltsberatungen des Senats zum Anlass, sich mit einem dringenden Appell zum Besoldungsrecht an Sie zu wenden:

Ausweislich der Erhebungen des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein (Presseinformation Nr. 48/2011 vom 11.04.2011) betrug der durchschnittliche Bruttojahresarbeitsverdienst vollzeitig beschäftigter Arbeitnehmer in Hamburg in 2010 47.612 €. Arbeitnehmer in leitender Stellung erzielten in Hamburg einen durchschnittlichen Bruttojahresverdienst von 87.764 €. Nach Erhebungen der Bundesrechtsanwaltskammer werden hochqualifizierte Berufseinsteiger in international ausgerichteten Hamburger Großkanzleien mit einem Jahresverdienst von mindestens € 100.000 Einstiegsgehalt entlohnt.

Demgegenüber sieht die Landesbesoldungsordnung R für ledige gleichermaßen hochqualifizierte Berufseinsteiger im höheren Justizdienst der Freien und Hansestadt Hamburg einen Bruttojahresverdienst - unter Einschluss der bisher gewährten Sonderzahlung (sog. „Weihnachtsgeld“) - von knapp € 41.900 vor. Dies entspricht - bezogen auf den Durchschnittsverdienst für leitende Angestellte - einem Faktor von 0,48; bezogen auf den allgemeinen Durchschnittsverdienst - also unter Einschluss auch der Arbeitnehmer, die schon die formellen Voraussetzungen für eine Tätigkeit im höheren Justizdienst nicht einmal im Ansatz erfüllen - ergibt sich ein Faktor von 0,88.

Auch in Ansehung der Tatsache, dass die Bruttogehälter mit Blick auf die Belastung mit Sozialabgaben außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht 1:1 vergleichbar sind, ist dieser Befund besorgniserregend. Nur am Rande sei dabei angemerkt, dass Deutschland innerhalb der Mitgliedsstaaten des Europarats im Vergleich der Richterbesoldung zum Durchschnittsjahresgehalt in der Bevölkerung mit Abstand den letzten (!) Platz einnimmt (Council of Europe CEPEJ, Die Europäischen Justizsysteme, Ausgabe 2008, S. 192 ff.).

Der Befund wird insbesondere nicht durch eine angeblich substantiell bessere Altersversorgung der Pensionäre gemildert. Das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg hat auf eine parlamentarische Anfrage des Landtags (Landtagsdrucksache 14/ 7504 vom 21.01.2011) für beamtete Juristen der Besoldungsgruppe A 15 herausgearbeitet, dass ein vergleichbarer „Muster-Jurist“ in der freien Wirtschaft eine um rund 85 € monatlich höhere disponible Nettoalterssicherung zur Verfügung hat.

Dieser schon jetzt bestehende enorme Wettbewerbsnachteil des höheren Justizdienstes gerade in einer „Hochpreis-Stadt“ wie Hamburg stellt Teile der Justiz bereits heute vor nahezu unlösbare Probleme. Aktuell stehen etwa der Staatsanwaltschaft Hamburg fast keine nach fachlichen und persönlichen Maßstäben geeigneten Bewerber mehr zur Verfügung. Ein endgültiges „Ausbluten“ der Staatsanwaltschaft wird derzeit dadurch abgewendet, dass ein von einzelnen Staatsanwälten angestrebter der Sache nach an sich wünschenswerter – Wechsel in die Gerichte durch die Behördenleitungen behindert wird.

Insbesondere dann, wenn Hamburg im Negativwettbewerb der Besoldungsstrukturen im Vergleich zu anderen Bundesländern finanziell weiter an Attraktivität verlieren sollte, wird die Problematik geeigneter Nachwuchsfindung raumgreifend sein. Dabei muss auch in den Blick genommen werden, dass bereits die Besoldungsentwicklung der vergangenen Jahre weit hinter der Gehaltssteigerung in vergleichbar qualifizierten Berufen der Privatwirtschaft zurückgeblieben ist. Auch unter den bereits länger im Berufsleben stehenden Richtern und Staatsanwälten beeinträchtigt diese Entwicklung – wie in Gesprächen mit Kollegen leider immer häufiger zu hören ist – die an sich hohe Arbeitsmotivation spürbar.

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist – trotz der bestehenden strukturellen Haushaltsprobleme – nach wie vor Geberland im Länderfinanzausgleich. Sie sollte ihre Besoldung daher – wie in früheren Jahren – an Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, nicht aber an Schleswig-Holstein, Berlin oder Bremen orientieren.

Zum „anständigen Regieren“ gehört ganz sicher, dass man seine Schulden zurückzahlt und nicht über seine Verhältnisse lebt. Ebenso sicher gehört aber auch dazu, dass man seine Staatsdiener anständig behandelt und bezahlt.

Letzteres macht es mindestens erforderlich, die ohnehin gerade eben die Inflation kompensierenden Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst ungeschmälert auf die Besoldung der Richter und Staatsanwälte zu übertragen. Das im Tarifbereich festgeschriebene sogenannte Weihnachtsgeld ist auch für Richter und Staatsanwälte unabdingbar. Auch eine nur teilweise Kürzung der einen integralen Besoldungsbestandteil bildenden Sonderzuwendung, die einer effektiven Gehaltskürzung gleichkäme, würde Hamburg im Besoldungsvergleich der Länder auf einen Platz verweisen, der der wirtschaftlichen Bedeutung und Leistungsfähigkeit sowie dem politischen Selbstverständnis der Hansestadt nicht gerecht wird. Das schon jetzt bestehende Problem der Gewinnung geeigneten Nachwuchses würde sich zusätzlich verschärfen.

Freilich sollte über eine Eingliederung der bisher als Jahresendzahlung ausgestalteten Sonderzuwendung in die monatliche Besoldung nach dem Vorbild Baden-Württembergs nachgedacht werden.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Marc Tully