(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/11, 12) < home RiV >
„Gender–Mainstreaming“
Leserbrief zu Günter Bertram, MHR 1/2011, 9
Maß halten - An diese Kardinaltugend (vgl. dazu den Artikel über die Rede von Weihbischof Jaschke bei der diesjährigen Mitgliederversammlung des Richtervereins in demselben Heft) muss G. Bertram erinnert werden. Der Beitrag über Gender-Mainstreaming ist das Gegenteil davon:
Er verfehlt den eigenen Anspruch der Aufklärung, wenn er die schlaglichtartige Methode der Annäherung an den Gegenstand nutzt, um mit keinem Wort die - vorsichtig gesprochen - Möglichkeit tatsächlicher Erscheinungsformen von Diskriminierung auch nur zu erwähnen, dafür aber über zwei Druckseiten das erschreckende Experiment von John Money zu schildern, um diesen (und seine Methoden) dann als Vorbild und Pionier des Gender-Mainstreaming hinzustellen. Ein aufklärerischer Gestus liegt auch nicht darin, mit einer Reihung von offenbar überzogenen, aber zugleich eher exotischen Ansätzen wie dem Projekt „Bibel in gerechter Sprache“ oder dem „Gay&Lesbian-Pride-Month“ das Gender-Mainstreaming umreißen zu wollen, ebenso wenig übrigens, wie in das absichtsvoll so vorbereitete Umfeld seriösere politisch-rechtlich Ansätze einzubetten und sie zudem mit recht geringem argumentativen, dafür aber großem rhetorischen Aufwand zu attackieren. Der Beitrag verfehlt hier jedes Maß; er verfehlt es zudem, indem er ohne erkennbare Notwendigkeit etwa Referenzen bei Thilo Sarrazin sucht oder einen „denkbar kurzen Weg von schwuler Kinder- und Jugendarbeit zur Pädophilie“ postuliert. Und weiter: Ist Homophobie – falls man G. Bertrams Argumentation für diese Einstellung vielleicht doch nicht ganz teilen mag – wirklich durch unkritische Hinnahme positiv zu tolerieren oder kann das nicht als Diskriminierungsproblematik verstanden und auf diese Weise wenigstens diskutiert werden? Ich empfinde es als eine ärgerliche Geringschätzung des Lesers, der sich auf eine Erhellung des Begriffs des Gender-Mainstreaming freut, diesen Beitrag als „Aufklärung“ zu präsentieren. Er ist lediglich eine maßlose Polemik.
Thomas Kuhl-Dominik