(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/11, 32) < home RiV >

Richterarbeitszimmer und Richterbild

Im letzten Jahr haben die MHR[1] berichtet, dass das BVerfG[2] den seit 2007 geltenden Ausschluss der Absetzbarkeit von Arbeits­zimmern für verfassungswidrig erklärt hat; dies jedoch nur für den Fall, dass für die  berufliche Tätigkeit kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Das FG Niedersachsen[3] hat nun für den Veranlagungszeitraum 2008 den Abzug von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer einer Richterin am Amtsgericht abgelehnt. Die Richterin hatte geltend gemacht:

„Sie halte sich an den Arbeitstagen regelmäßig nur vormittags in ihrem Dienstzimmer im Amtsgericht … auf, wobei sie einmal wöchentlich im Sitzungssaal des Amtsgerichts … mündliche Verhandlungen durchführe. Nachmittags arbeite sie regelmäßig von ungefähr 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr in ihrem häuslichen Arbeitszimmer. Lediglich an Sitzungstagen arbeite sie von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr in ihrem häuslichen Arbeitszimmer. Darüber hinaus arbeite sie auch am Wochenende in ihrem häuslichen Arbeitszimmer, und zwar am Samstag von ungefähr 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr und am Sonntag von ungefähr 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr. In ihrem Dienstzimmer im Amtsgericht … habe sie lediglich begleitende organisatorische und prozessleitende Tätigkeiten wahrgenommen. Dort bearbeite sie die täglichen Eingänge, bestimme und verlege Verhandlungstermine, lade Zeugen und führe Telefonate. Akten mit größerem Umfang, die Zeit und Ruhe benötigten, bearbeite sie zu Hause. Sämtliche Entscheidungen, wie Urteile und Beschlüsse, diktiere sie ebenfalls ausschließlich in ihrem häuslichen Arbeitszimmer.“

Der Fall scheint demnach ein anschauliches Beispiel dafür zu sein, welcher Belastung manche Kollegen unterliegen: im Fall der niedersächsischen Kollegin kommt zu den 41 Stunden[4] im häuslichen Arbeitszimmer noch der vormittägliche Dienst im Gerichtsgebäude, so dass die Wochenstundenzahl also etwa bei 60 Std./Woche gelegen haben dürfte.

Das Finanzgericht allerdings hatte wohl Zweifel an der Richtigkeit der Angaben („fehlen auch leicht nachprüfbare objektive Anhaltspunkte“[5]), hielt es aber ohnehin für unerheblich, wie hoch der Zeitanteil des Arbeitszimmers war. Maßgeblich sei nicht der zeitliche (quantitative) Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers, sondern der qualitative Schwerpunkt. Dieser liege bei für Zivilprozessen zuständigen Richtern auf der Durchführung von mündlichen Verhandlungen sowie den sich daran anschließenden Urteilsverkündungen[6]; dies sei für den Beruf der Richterin am Amtsgericht prägend.

Daneben war für die Entscheidung noch relevant, dass der Richterin im Gericht ein Dienstzimmer zur Verfügung stand. Die diesbezüglichen Formulierungen deuten allerdings auf eine gewisse Distanziertheit des FG zur BGH-Recht­sprechung[7] hin, nach der die Entscheidung eines Richters, zuhause zu arbeiten, Ausfluss richterlicher Unabhängigkeit ist[8]:

„Ihre Entscheidung, im Streitjahr nicht sämtliche Büroarbeiten in ihrem Dienstzimmer im Amtsgericht … zu erledigen, beruhte daher offensichtlich auf privaten Befindlichkeiten und war zudem auch nur möglich, da die Klägerin als Richterin, im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen, aufgrund flexibler Arbeitsbedingungen die erforderlichen Arbeiten auch weitgehend zu Hause erledigen kann.“

Revision ist eingelegt[9].

Zeitlich nach dem Urteil des FG erging ein Anwendungserlass des BMF[10]. Darin wird ausgeführt, dass rückwirkend seit dem Veranlagungszeitraum 2007 gilt, dass die Aufwendungen

a)    in voller Höhe  berücksichtigt werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet[11],

b)    bis zur Höhe von 1.250 € berücksichtigt werden, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Demnach wäre es für die Mittelpunktfrage (a) jedenfalls nicht unmittelbar erheblich, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Sodann heißt es in dem Erlass unter V., dass für die Frage nach dem Mittelpunkt abzustellen sei auf den

„inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung … Übt ein Steuerpflichtiger nur eine … Tätigkeit aus, die in qualitativer Hinsicht gleichwertig sowohl im häuslichen Arbeitszimmer als auch am außerhäuslichen Arbeitsort erbracht wird, so liegt der Mittelpunkt der gesamten … Betätigung dann im häuslichen Arbeitszimmer, wenn der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte der Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer tätig wird“.

 

(Wolfgang Hirth)


[4] 4x6 + 2 + 5 + 10 = 41

[5] Die fehlende Nachprüfbarkeit solcher Angaben war laut FG auch der Grund, warum  der Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 2010 die Ausnahme vom Abzugsverbot bei mehr als 50%igem Zeitanteil des Arbeitszimmers nicht wieder eingeführt habe. Vergleiche aber unten bei b.

[6] So schon die vom FG nicht zitierte OFD Düsseldorf v. 22.07.1998- S 2354 A-St 122, S 2354 A-St 1221

[7] z.B. BGH NJW 2003, 282

[8] Womit selbstverständlich nicht gesagt sein soll, dass die richterliche Unabhängigkeit die Anerkennung des Arbeitszimmers gebiete (vgl. FG Hamburg, EFG 2009, 927, juris-Rn. 33).

[9] BFH-Az.: VI R 13/11

[10] Erlass vom 02.03.2011 - IV C 6-S 2145/07/10002, 2011/0150549; BStBl I 2011, 195; dort sub I, XII

[11] Darin liegt möglicherweise eine Besserstellung gegenüber dem Gesetz: Gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 2 EStG gilt der Ausschluss der Abzugsfähigkeit des Arbeitszimmers nicht, „wenn für die … Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten … Betätigung bildet“. Nach dieser Norm stellt sich die Mittelpunktfrage also erst, wenn zuvor festgestellt wurde, dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.