"Schon wieder Wahlen. Wir haben doch kürzlich das Präsidium gewählt, ist die Amtszeit abgelaufen?"
So die Reaktion eines Kollegen auf die Bekanntgabe der am 13. September d.J. stattfindenden Neuwahlen zu den Richter- und Präsidialräten. Sie ist kennzeichnend für den Wissensstand eines Großteils unserer Kolleginnen und Kollegen über die Richtervertretungen und deren Aufgaben. Es würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, wollte man den Ursachen hierfür erschöpfend auf den Grund gehen. Nur soviel sei angemerkt:
Mitursächlich dafür, daß viele Richterinnen und Richter ihr Arbeitsumfeld mit den vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht kennen, ist auch die ständig steigende Arbeitsbelastung, die es mit sich bringt, daß sich viele nahezu ausschließlich um die eigentlichen Richteraufgaben kümmern. Zeit für die Beschäftigung mit grundsätzlichen Dingen bleibt dabei häufig nicht.
Diese Entwicklung ist zu bedauern, haben doch die Richter durch das Deutsche Richtergesetz vom 08.09.1961 erstmalig ein eigenes Vertretungsrecht und damit die Möglichkeit erhalten, sich am Geschehen ihrer Gerichte zu beteiligen. Das Deutsche Richtergesetz, und über verbindliche Rahmenvorschriften auch das Hamburgische Richtergesetz vom 02.05.1991, haben die vertretungsrechtlichen Aufgaben auf zwei Gremien, nämlich den Richterrat für die Beteiligung an allgemeinen und sozialen Aufgaben und den Präsidialrat für die Beteiligung an der Ernennung und Beförderung von Richtern, verteilt. Die Aufteilung dieser Aufgaben erklärt sich aus der besonderen Stellung der Richter, die bei der Einstellung und Beförderung als Glieder der Dritten Gewalt angesprochen sind und gegenüber der Behörde oder den Wahlgremien ihre Interessen mit dem nötigen Gewicht geltend machen können. Diese Interessenwahrnehmung geschieht durch den Präsidialrat, der nach dem Hamburgischen Richtergesetz im wesentlichen die folgenden Aufgaben hat:
Beteiligung an der
Jeder Gerichtszweig hat einen eigenen Präsidialrat, dem die Präsidenten der jeweiligen Gerichte und die gewählten Richterinnen und Richter - je nach Größe des Gerichts 2 bis 4 - angehören.
Die Wahl ist eine reine Mehrheitswahl, bei der die Richter gewählt sind, die die höchste Stimmenzahl auf sich vereinigen können. Stellvertreter sind f ü r bestimmte Hauptmitglieder zu wählen. Wer Stellvertreter ist, bestimmt sich nach dem am häufigsten gewählten Paar und nicht danach, wer nach den Hauptmitgliedern die nächsthöhere Stimmenzahl erhalten hat.
Das Wahlverfahren für die Richterräte ist erheblich komplizierter. Hier hat der hamburgische Gesetzgeber durch eine Kombination von Verhältnis- und Mehrheitswahlsystem den Richtern und Berufsverbänden eine Mitwirkungsmöglichkeit im Richterrat verschaffen wollen, die bei einem reinen Mehrheitswahlsystem nicht zum Zuge gekommen wären.
Der Richterrat wird für jedes Gericht gebildet und besteht, je nach Größe des Gerichts, aus 3 bis 5 Mitgliedern. Er hat im wesentlichen folgende Aufgaben :
a) Aufstellung von Urlaubsplänen und Festlegung der zeitlichen Lage, wenn zwischen Gericht und Richter keine Einigung zu erzielen ist
b) Regelung der Ordnung im Gericht, sofern hiervon Richter betroffen sind
c) Gestaltung der Arbeitsplätze (hier ging es dem amtierenden Richterrat des Amtsgerichts insbesondere um die Einrichtung von bildschirmgerechten Arbeitsplätzen)
d) Festsetzung von Vergütungssätzen für Nebentätigkeiten
e) Durchführung der beruflichen Fortbildung
f) Regelungen über einen richterlichen Eil- und Notdienst
a) Teilzeitbeschäftigung und Ermäßigung des Dienstes
b) Nebentätigkeiten
c) Disziplinarmaßnahmen
d) Erlaß von Beurteilungsrichtlinien
e) Auswahl von Richtern für berufliche Fortbildungsveranstaltungen, z.B. Richterakademie
f) Betrauung mit Aufgaben der Gerichtsverwaltung
g) Abordnung von Richtern, insbesondere zum Zwecke der Erprobung an das Hanseatische Oberlandesgericht
a) Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden
b) Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung
c) Auflösung, Erweiterung, Verlegung von Gerichten
Der Vorstand des Hamburgischen Richtervereins bittet alle Kolleginnen und Kollegen, an den Wahlen teilzunehmen. Die von uns vor geschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten werden sich aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihrer beruflichen Erfahrung und ihres Engagements für die Wahrnehmung richterlicher Belange einsetzen.
Jochen Cassel