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R.M.
beim Bundesvorstand des Deutschen
Richterbundes

Sitzung in Bad Kreuznach. Beginn 14.00 Uhr. Der Vorsitzende, Herr Voss, blickt um 14.01 Uhr stirnrunzelnd in die Runde, weil einige Teilnehmer immer noch nicht Platz genommen haben, und ruft um 14.02 Uhr mit leicht gehobener Stimme den ersten Tagungsordnungspunkt auf. Die übliche lebhafte Diskussion unter den Teilnehmern, die immer etwas zu sagen haben und sich stets zu Wort melden, entbrennt. Da, 14.17 Uhr, öffnet sich knarrend die Tür, der Herr Vorsitzende des Landesverbandes Hamburg füllt sie kurz aus, durchschreitet sie, gefolgt wie immer von (mindestens) einer wohlansehnlichen, zumeist blonden und langbeinigen Dame (keineswegs immer derselben - oh, wundersames Hamburg!) und setzt sich auf den letzten freien Platz, nach der vorangegangen Jagd über die Autobahn offensichtlich gut durch ein geruhsam eingenommenes Mittagessen gestärkt.

Herr Voss seufzt vernehmlich, die Hamburger Mitglieder des um ihn versammelten Präsidiums gucken betont unbeteiligt, und viele Teilnehmer der Sitzung lächeln, teils verständnisvoll, teils neidisch, teils bewundernd. Und einem der Dauerdiskutanten verschlägt es die Sprache, so daß der nächste Tagesordnungspunkt aufgerufen werden kann.

An der Diskussion beteiligt sich Herr Makowka kaum, aber er ist da. Und wenn er spricht, leise aber engagiert, dann hört jeder zu, und meistens ist dann alles Wesentliche gesagt, obwohl die Dauerdiskutanten noch einmal alles unterstreichen, zustimmend alles noch einmal widerkauen und, obwohl sie zustimmen, Bedenken äußern. In - leider zu seltenen Anlässen - entwirft Herr Makowka Zukunftsvisionen einer besseren Justizpolitik und ermuntert den Deutschen Richterbund, über das Tagesgeschäft hinaus aufrüttelnde und die Mitglieder anregende Themen aufzugreifen.

Trotz der ihm zufließenden überzeugenden Argumente kommt es zu Abstimmungsniederlagen für Hamburg. Herr Makowka nimmt sie in bester demokratischer Manier hin, teilt aber gelegentlich seinem Nachbarn genüßlich grinsend mit, daß er nicht beabsichtige, den soeben gefaßten Beschluß in Hamburg umzusetzen. Um welche zukunftsweisenden Entscheidungen es sich dabei gehandelt hat, möchte ich aus Besorgnis um Hamburg nicht mitteilen.

Abends: Der Landesverband Rheinland-Pfalz veranstaltet eine Weinprobe.

Kenner suchen den freien Platz neben Herrn Makowka (den anderen nimmt die langbeinige Dame ein!). Er vergißt zwar zeitweilig, daß Wein ihm nicht bekommt, aber die Chance, daß er sich daran doch erinnert, besteht immerhin, besonders dann, wenn es Alternativen (Bier - leider selten - oder Schnaps - glücklicherweise öfter) gibt, die die Erinnerungsfähigkeit deutlich fördern und eher eine Zigarette dazu vertragen.

Nicht immer gelingt es allerdings, diesen freien Platz zu ergattern, weil (auch das muß ein der Wahrheit verpflichteter Chronist vermelden) Herr Makowka zeitweilig nicht nur mit unbekannten liebreizenden Damen, sondern auch mit seiner ebenso charmanten wie liebenswürdigen Gattin reist.

Auf dem Heimweg von der Weinprobe tut man besser daran, sich in der zumeist lang auseinandergezogenen und in vom Wein beflügelte und lebhafte Gespräche vertieften Gruppe von dem Bereich um Herrn Makowka unauffällig fernzuhalten. Eine geöffnete Kneipe oder spätestens die Hotel-Bierbar ist sonst unweigerlich Zwischenstation vor dem Bett, für das man - siehe Platz neben dem nicht Wein trinkenden und folglich Proben an den Nebenmann verteilenden Herrn Makowka - eigentlich hinreichende Schwere erreicht hat.

Die Mitglieder des Bundesvorstandes sind zu bedauern. Sie werden bei ihren Sitzungen diesen Hamburger, der eigentlich in seiner beeindruckenden Lebensweise und seinen leidenschaftlichen Visionen immer Ostpreuße geblieben ist (was den Hamburgern durchaus einmal gesagt werden muß) nicht mehr dabei haben.

Ernst-Harald Dähnhardt