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Annähernde
Umkreisung

Lieber Roland,

es sollten keine Lobhudeleien werden, nichts Abstraktes, sondern lebendig, persönlich, liebenswert, keineswegs also Heiligenlegenden. Alles dieses und noch mehr wünschte sich der Initiator der Festschrift, Herr Bertram, und tatsächlich hat er Dich in seinem kleinen Anschreiben indirekt bereits charakterisiert, so daß uns, den Angesprochenen, das Geschichtenerzählen bleibt.

Weißt Du noch?

Erstmals bin ich Dir als Referendarin begegnet. Es muß nicht lange vor meinem Assessorexamen Anfang 1971 gewesen sein. Du hast eine außerplanmäßige Arbeitsgemeinschaft geleitet, bist beim Reden auf- und abgegangen. Bisweilen hast Du halb sitzend, halb stehend an einer Tischkante verweilt. Es ging wohl um Zivilprozeßrecht, und immer, wenn Du uns mit Deinem lebensbegleitenden Understatement einige Tricks verraten hast, mit denen man die für uns spröde Materie besser verstehen konnte, hast Du so liebenswert gekichert, daß wir uns als Eingeweihte fühlen konnten.

Daß ich gleich nach dem Examen Richterin wurde, hast Du mit Adalbert Frisch (damals RiOLG) oben auf der pompösen Treppe in der Eingangshalle des HansOLG ausgehandelt. "Konstanze, das ist der richtige Beruf für Sie," war Eure Entscheidung - und so kam es dann auch. 1971 gab es noch keine Frauenbewegung, die mich veranlaßt haben könnte, dieses Komplott kritisch zu hinterfragen.

Jahre später hast Du mich dann in den Kulturausschuß für die Reihe "Kultur und Justiz" gebeten. Auch hier Dein Understatement. "Macht mal", sagtest Du, und wir machten und luden Künstler, Schriftsteller, Schauspieler und andere Justizkritiker ein. Aber Du warst es dann, der die Nägel einschlug; nein, nicht nur in die Wände der Flure des Gerichtsgebäudes, tage- und nächtelang, sondern auch bei den Veranstaltungen selbst, wenn Du organisiert, gemacht und getan, die Künstler von Hotel oder Bahnhof abgeholt und schließlich mit Deinem kleinen Bäuchlein, Zigarette in der Hand, so gewinnend geredet hast. Wie sagte doch Ralph Giordano nach einer Diskussion oder war es eine Lesung aus seinem Buch "Die zweite Schuld": "Ich hätte nie gedacht, daß "hohe" Richter so menschlich sein können."

Später dann anläßlich der Aufführung des Hamburger Richtertheaters "Die neun von Catonsville" im Amerika-Haus hast Du Dich unter die Diskutanten gemischt. Es geht in dem Stück um zivilen Ungehorsam und die Auseinandersetzung mit einer fragwürdigen Justiz. Das war 1984 ein heißes Thema. Du hast die Mitwirkenden moralisch unterstützt und Ihnen Mut gemacht.

Die Diskussion, ob es mit dem Mäßigungsgebot vereinbar ist, wenn Richter unter ihrer Berufsbezeichnung Appelle gegen Atomraketen mitunterzeichneten oder gar im eiskalten Januar 1987 vor den Toren von Mutlangen demonstrierten, hast Du mit jenem Verständnis begleitet, das damals wichtig war, um Glaubwürdigkeit für die Motivation dieser Kolleginnen und Kollegen zu erreichen.

Du warst der erste, den ich um Rat fragte, ob ich mich in Itzehoe bewerben sollte. "Mach es. Du kannst es. Sie werden Dich lieben," war Dein Kommentar, nichts weiter. Dein Versprechen, mich einmal im Monat zu besuchen, hast Du nicht eingehalten. Du kamst nur zweimal in knapp 6 1/2 Jahren.

Auf weibliche Vorbilder konnte ich in Itzehoe nicht zurückgreifen, und so habe ich in kritischen Situationen manches Mal gedacht: Wie hätte Roland wohl reagiert? Ich stellte mir vor: "Das kriegen wir schon irgendwie hin." Oder: "Och, das lassen wir mal, da soll sich die Behörde mal richtig ärgern." Du hattest immer diese beneidenswerte Gelassenheit. Das Wort Hektik ist für Dich ein Fremdwort. Was Du nicht bis abends geschafft hast, hast Du in die Mitternachtsstunden verlegt; schließlich hat der Tag 24 Stunden.

Nur bei dem Thema Justizverwaltung habe ich Dich einmal in Rage erlebt, da fielen schon mal deutliche Worte, die so gar nicht in mein Bild von Dir paßten.

Zum Schluß meines Briefes komme ich nun doch noch zu einem Thema, zu dem ich tatsächlich die Flasche Rotwein öffnen muß, die uns der Initiator dieses Festblattes, zum Schreiben mutmachend, anempfohlen hatte: "Makowka und die Frauen".

Roland, es bleibt Dein Geheimnis, wie Du es geschafft hast, die Frauen um Dich herum - wie soll ich es sagen - abhängig zu machen. Denn, daß Du auf Frauen gut konditioniert bist, zeigt bereits Dein schönes Verhältnis zu Deiner Frau Dagmar und Deiner Tochter. Aber Du hast zugegebenermaßen weder den Körper von Arnold Schwarzenegger, noch das Gesicht von Michael Douglas. Oder eben gerade darum. ...

Ach, ich merke, dieses Thema ist auch nicht mit Hilfe einer Flasche Rotwein zu schaffen. Vielleicht bilden wir einen Ausschuß, der sich der angesprochenen Frage widmet. Ich erkläre mich bereit, den Vorsitz zu übernehmen. Anläßlich Deines 70. Geburtstages werden wir Dir das Ergebnis der Arbeitsgruppe mitteilen.

In der Hoffnung, Dich auch noch in den nächsten Jahren in guter gesundheitlicher Verfassung und immer als Ansprechpartner für uns Zurückgebliebene zu erleben und mit herzlichen Wünschen für das Gelingen Deiner nächsten Vorhaben - woran ich keinen Zweifel habe - bin ich sehr herzlich

Deine Konstanze

(Konstanze Görres-Ohde)