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Die Bischöfe

lautet der Titel der neuesten Schrift der Reihe "Hamburgische Lebensbilder", die der Verein für Hamburgische Geschichte herausgibt. Verfasser ist Rainer Hering. Das Büchlein befaßt sich mit der Vita der ersten beiden Bischöfe der Hansestadt in der Neuzeit, Simon Schöffel (1880-1959) und Franz Tügel (1888-1946).

Evangelische Bischöfe kannte die Hamburger Landeskirche bis 1933 nicht. Der Senior der Geistlichkeit, der von der Synode aus dem Kreis der Hauptpastoren gewählt wurde, leitete die Kirche. Das Amt des Landesbischofs wurde durch Gesetz vom 29. Mai 1933 eingeführt:

Die Synode wählte am selben Tage Simon Schöffel zum ersten Landesbischof. Der Senior Karl Horn wurde übergangen. Seine theologische und politische Liberalität paßte nicht in die Zeit. Simon Schöffel kam dem Zeitgeist in der Rede nach seiner Wahl näher. Im Monat der öffentlichen Bücherverbrennungen in Berlin und anderen Universitätsstädten am 10. Mai und am 15. Mai in Hamburg erklärte er:

"Wir grüßen den Staat, der neu geworden ist, und danken ihm, daß er Mut und Kraft gefunden und bewiesen hat, um unserem Volk den Aufbruch und den Weg zur Freiheit zu bahnen." Schöffel geriet 1934 gleichwohl in einer Konflikt mit den eng mit dem Nationalsozialismus verbundenen "Deutschen Christen" und mußte zu Gunsten Franz Tügels zurücktreten. 1946 wurde er ein zweites Mal zum Bischof gewählt.

Franz Tügel trat bei seiner Wahl zum zweiten Hamburger Landesbischof am 5. März 1934 in der braunen Uniform der NSDAP vor die Synode und erklärte. "Mein Programm bin ich selbst!". Er skizzierte sein Credo in dieser Rede dahin:

"Ich kenne nur einen Feind: Wer diesen Staat Adolf Hitlers nicht will. Mit solchen werde ich sehr kurz fertig. Das bin ich nicht nur meiner Kirche schuldig, sondern meinem Staat, meinem Volk und meinem wunderbaren Führer. (...) Eine Losung: mit Luther und Adolf Hitler für Kirche und Volk, daß beide ein Herz und eine Seele werden!" Wer beim Lesen dieser Zeilen seinen Augen nicht traut, sei auf die packende Lektüre des genannten Buches verwiesen. Es zeigt die Lebenswege und Charaktereigenschaften der beiden intellektuell brillanten, theologisch und politisch verblendeten Männer auf, zeigt sie mit ihren Familien und bei Amtshandlungen in eindrucksvollen Bildern. Auch diese kleine Buch ist ein Beitrag zum Ge- und nachdenken.

Karin Wiedemann