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Mitgliederversammlung
Am 14. April 1997 fand die jährliche Mitgliederversammlung des Hamburgischen Richtervereins statt. Zum öffentlichen Teil war diesmal Finanzsenator Ortwin Runde eingeladen worden, der zum Thema: "Verwaltungsmodernisierung und Haushaltskonsolidierung - ein Widerspruch? sprach.
Der Redner malte ein düsteres Bild der öffentlichen Haushalte im allgemeinen und des Hamburger Haushalts im besonderen. Die Krise der öffentlichen Finanzen erlaube es nur noch, die Defizite gerecht zu verteilen. Er wies darauf hin, daß er angesichts der notwendigen Konsolidierung öffentlicher Haushalte keine Möglichkeit sehe, Steuerreformplanungen in dem derzeit vorgeschlagenen Umfang durchzuführen, da sie für die Länder zusätzliche erhebliche Belastungen mit der Folge immenser zusätzlicher Einsparnotwendigkeiten mit sich brächten.
Zur Lösung der Krise verlangte er eine Modernisierung und Dezentralisierung der Verwaltung. Die Strategie müsse auf Reduzierung von Kosten und Verbesserung von Einnahmen zielen. Auf der Einnahmeseite habe Hamburg durch die Öffnung nach Osten und die Erweiterung der EG nach Norden und die dadurch erfolgte Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkraft der Stadt gewonnen. Dies habe aber zur Folge gehabt, daß Hamburg im Jahr 1996 entgegen der zunächst veranschlagten Summe von 220 Mio DM, einen Betrag von 480 Mio DM in den Länderfinanzausgleich habe einzahlen müssen. Die auf der Ausgabenseite 1997 fehlenden 1,32 Milliarden DM müßten u.a. durch Verkäufe von Staatseigentum abgedeckt werden, damit das Ziel erreicht werden könne, das Defizit im Jahr 2000 auf Null zurückzufahren.
Zugleich solle flächendeckend die Budgetierung der Ausgaben auch in den Gerichten und Staatsanwaltschaften eingeführt werden. Es gäbe dabei erste Erfolge. Zudem werde die Stelleneinsparung im Umfang von etwa 1,5 % pro Jahr weiter durchgeführt werden müssen.
Der Redner verlangte die Mitarbeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften bei der Verwaltungsmodernisierung und meinte, daß sich die Justiz - unbeschadet der richterlichen Unabhängigkeit in ihrer Rechtsprechung - fragen lassen müsse, ob sie ihre organisatorischen Voraussetzungen ausreichend geprüft und verbessert habe.Der Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins, Dr. Heiko Raabe, wies darauf hin, daß kein PC und keine Neuorganisation auch nur einen Sitzungstag einspare. Skeptisch merkte er an, daß die Politik zwar neue Gesetze mit erheblichen Personal- und Kostenfolgen erlasse, die dafür erforderlichen Voraussetzungen in den Gerichten und Staatsanwaltschaften aber nicht schaffe, und verwies als Beispiel auf die bevorstehende Insolvenzrechtsreform. Auch im Bereich der inneren Sicherheit werde nicht ausreichend bedacht, daß polizeiliche Ermittlungsarbeit bei den Staatsanwaltschaften, den Gerichten und dem Strafvollzug ihre Folgen zeitige. Für das Sicherheitsempfinden des Bürgers sei es unerträglich, wenn zu spät oder gar nicht angeklagt werde und Verdächtige unter Umständen sogar aus der Untersuchungshaft entlassen würden, weil die 6-Monats-Frist nicht eingehalten werden konnte. Das Gesamtsystem nehme Schaden, wenn die Justiz nicht funktioniere.
Alles in allem eine wenig erheiternde Bilanz. Aber wer hatte es anders erwartet?
Die Ergebnisse der vereinsinternen Wahlen sind auf S.19/20 nachzulesen. Dank (und Blumen) galten den ausscheidenden Vorstandsmitgliedern. Und mit einem Sonderapplaus wurde die Kollegin Sjursen-Stein bedacht, die sich bereit erklärt hatte, weiterhin unsere Kasse zu betreuen.
Jan Grotheer