(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/97) < home RiV >
Kapstadt ...
liegt bekanntlich am Kap der guten Hoffnung. Die rund 120 Mitarbeiter des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts in Hamburg verbinden den Namen dieser Stadt gegenwärtig weniger mit guter Hoffnung als mit bösen Ahnungen oder zumindest gemischten Gefühlen, sollen sie doch nach dem Wunsch der Justizbehörde ihr zentral in der Kaiser-Wilhelm-Straße gelegenes Dienstgebäude zugunsten der Staatsanwaltschaft aufgeben und bisher von der Staatsanwaltschaft genutzte Räume am Kapstadtring beziehen. Artikeln in der Tagespresse (z.B. Welt am Sonntag vom 14.09.1997, Hamburger Abendblatt vom 09.10.1997) konnten sie entnehmen, hier würden ohne ernstzunehmende Gründe und durch fehlende Einsicht in übergeordnete Belange unvertretbare Ausgaben verursacht und - schlimmer noch - eine effiziente Strafverfolgung in Hamburg behindert. Der Zorn über derart schlimme Unterstellungen wurde nur unwesentlich durch die sich bei vollständiger Lektüre der Artikel aufdrängende Erkenntnis gemindert, daß diese Vorwürfe auf die Urheber zurückfallen. Überflüssige Mietkosten am Kapstadtring entstehen gegenwärtig allein deshalb, weil es versäumt wurde, die über die dortigen Räumlichkeiten bestehenden Mietverträge im Hinblick auf die beabsichtigte Verlagerung der dort untergebrachten Dienststellen der Staatsanwaltschaft rechtzeitig zu kündigen, und weil die Nutzung der Räume aufgegeben wurde, ohne daß eine Anschlußnutzung sichergestellt war.
"Was stört Euch so am Kapstadtring? Andere arbeiten doch auch dort, und zwar ausgesprochen gern - so gern, daß sie dort eigentlich gar nicht weg wollen. Muß nicht Bequemlichkeit zurückstehen, wenn es um Höheres geht?"
Wer so fragt, wer sich auf diese Fragen einläßt, denkt zu kurz. Es ist doch eine Binsenweisheit, daß derjenige, der etwas von einem anderen will, diesen zuerst von dessen Notwendigkeit überzeugen muß. Dies ist für das Projekt "Sozialgerichte zum Kapstadtring" bisher nicht geschehen.
Warum gerade unser Gebäude? Es gibt soviel leerstehenden Büroraum in der Innenstadt zu günstigen Mieten. Versuche der Staatsanwaltschaft, das Problem der räumlichen Zersplitterung ihrer Dienststellen durch Anmietung eines größeren Gebäudes im Bereich der Innenstadt zu lösen, sind an fehlenden finanziellen Mitteln gescheitert, an der Vorgabe, daß im Hinblick auf die Haushaltslage keine neuen Büroräume angemietet werden sollten. Aber wenn kein Geld da ist - warum das Ganze denn jetzt? Warum nicht bis zu einer Verbesserung der Haushaltslage warten? Das sog. GMO-Gutachten, auf das sich die Justizbehörde für ihre Pläne beruft, nennt die räumliche Zusammenfassung der Dienststellen der Staatsanwaltschaft als einen von vielen Punkten zur Steigerung der Effizienz. Zudem wird die Verlagerung der Sozialgerichte zum Kapstadtring nicht zum Nulltarif zu haben sein, sondern beträchtliche Kosten durch vorzunehmende Umbauten verursachen, Kosten, deren Übernahme die Justizbehörde zugesagt hat und deren Höhe gegenwärtig noch unbekannt ist. Ist es wirklich wirtschaftlich, viel Geld in den Umbau eines relativ alten Bürogebäudes zu investieren? Ist es nicht sinnvoller, dieses Geld für die Anmietung eines neueren Bürogebäudes zu nutzen?
Sollte der Wunsch maßgebend sein, nun endlich bereits angeschaffte EDV Hard- und Software zum Laufen zu bringen, so ist zu fragen, warum diese angeschafft wurde, bevor die notwendigen räumlichen Voraussetzungen geschaffen waren. Je mehr die Einsatzmöglichkeiten der EDV von einer engen räumlichen Zusammenfassung der Dienststellen der StA abhängen, desto wichtiger ist es doch, diese durchzuführen oder sicherzustellen, bevor in die EDV investiert wird.
Was den Wunsch anbetrifft, zumindest von den räumlichen Gegebenheiten her der Staatsanwaltschaft ein effizienteres Arbeiten zu ermöglichen: Hier wird die Hoffnung auf mehr Effizienz mit einem sicheren Verlust an Effizienz erkauft. Am Kapstadtring waren die Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaft und die entsprechenden Fachkammern des Landgerichts unter einem Dach untergebracht. Dies war im Interesse einer effizienteren Bearbeitung der zumeist umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren geschehen. Dieses Konzept, das für die Anmietung des Gebäudes am Kapstadtring maßgebend gewesen sein soll, wird nunmehr aufgegeben, denn die Wirtschaftsstrafkammern verbleiben - zumindest vorläufig - am Kapstadtring. Es gibt jedenfalls keine Planungen für ihre räumliche Unterbringung in der Nähe der Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaft.
Auf Unverständnis, ja Befremden stößt, daß die Justizbehörde das von den Sozialgerichten genutzte, zentral in unmittelbarer Nähe zum Justizzentrum am Sievekingplatz gelegene Gebäude für die Staatsanwaltschaft reklamiert, ohne einen adäquaten, ähnlich zentralen Ersatz anzubieten und den berechtigten Interessen der Sozialgerichte angemessen Rechnung zu tragen. Die Unterbringung der Sozialgerichte in den bisher von der Staatsanwaltschaft genutzten Räumen am Kapstadtring soll doch erfolgen, nicht weil dies für die Sozialgerichte zweckmäßig wäre, sondern weil es versäumt wurde, rechtzeitig den Mietvertrag über diese Räumlichkeiten zu kündigen, so daß die Aufgabe dieser Räumlichkeiten durch die Staatsanwaltschaft ohne einen "Nachmieter" zu nicht zu rechtfertigenden Ausgaben führen müßte. Diese Erkenntnis, deren Richtigkeit in Gesprächen innerhalb der "Justiz-Community" wiederholt bestätigt worden ist, vermittelt den Mitarbeitern der Sozialgerichte das unschöne Gefühl, lediglich Verfügungsmasse für fiskalische Interessen zu sein. Man hätte ihnen die Räumlichkeiten am Kapstadtring doch sicher nicht angeboten - anbieten können -, wenn der über sie bestehende Mietvertrag, so wie geplant, rechtzeitig gekündigt worden wäre.
Angesichts all dieser Umstände wird man billigerweise von den Mitarbeitern der Sozialgerichte nicht erwarten können, daß sie die Notwendigkeit ihres Umzugs zum Kapstadtring einsehen. Würden Sie es, liebe Leserin und lieber Leser?
Jürgen Kopp
Richter am Landessozialgericht