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Dorothee Sölle bei "Kultur und Justiz"
in der Grundbuchhalle

Ca. 50 - 60 Menschen waren gekommen , um am 4. November Professor Dr. Dorothee Sölle in der Grundbuchhalle zu hören.

Dorothee Sölle hatte der Einladung zu dieser Lesung auf für sie durchaus ungewöhnlichem Terrain spontan zugestimmt, vielleicht weil sie das Thema Recht und Gerechtigkeit gleichsam von Kindesbeinen an begleitet. Ihr Vater, Hans Carl Nipperdey, war bekannter Hochschullehrer in Köln und erster Präsident des Bundesarbeitsgerichts. In den Erinnerungen Sölles, die unter dem Titel "Gegenwind" erschienen sind und aus denen einige Abschnitte gelesen wurden, kommt der berühmte Vater allerdings nur am Rande vor.

Sehr plastisch und eindrucksvoll ging aus den Abschnitten über die Kindheit im dritten Reich, die Zeit der Restauration und Verdrängung in den 50er Jahren, über erstes Engagement gegen die Wiederbewaffnung und besonders aus den Gedichten - überwiegend dem Gedichtband "Verrückt nach Licht" entnommen - der Weg einer couragierten, leidenschaftlichen und warmherzigen Frau hervor.

Langer und herzlicher Beifall dankte der Autorin, die gerade auch in ihrem neuesten Buch "Mystik und Widerstand" gezeigt hat, wie sehr politisches und gesellschaftliches Engagement und Poesie und Spiritualität zusammengehören.

Besonders an Intensität und Schönheit gewann der Abend durch die wunderbare musikalische Umrahmung. Die Kollegen Dirk van Buiren (Violine), Rainer Bastenhorst (Querflöte), Rechtsanwalt Søren Pietzcker (Violoncello) und Dr. Mathis Barthe am eigens in die Grundbuchhalle transportierten Cembalo spielten Triosonaten von Georg Philipp Telemann so, als ob sie ein seit Jahren eingespieltes professionelles Kammermusikensemble seien. Der Büchertisch der Buchhandlung Anneliese Tuchel und der vom Verein der Freunde der Grundbuchhalle (in Gründung) ausgeschenkte Wein rundeten einen gelungenen Abend ab.

Gottfried Sievers