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 Kultur und Justiz
MHR 1/85
Eröffnung am 25. Januar 1985

Kann es einen schöneren Auftakt geben als ein volles Haus? Der Plenarsaal des Ziviljustizgebäudes war brechend voll; man stand auch an den Wänden, stand draußen vor der Tür, im Gang, wohin das Innenleben des Saales mit Lautsprechern übertragen wurde.

Herr Dr. Makowka begrüßte Rolf Hochhuth., der sich in die Löwenhöhle der "furchtbaren Juristen" gewagt habe, hieß auch Frau Leithäuser als die Schirmherrin der Veranstaltungsreihe willkommen, die dann einige Bemerkungen grundsätzlicher Natur über Kultur und Recht, ihre Spannung und innere Verknüpfung machte.

Löwenhöhle? Wenn der Referent den Saal mit Beklommenheit betreten haben sollte, so wurde er sogleich eines anderen belehrt, fand sich vom Vorschußbeifall, von Wohlwollen und freundlichem Interesse umfangen, schlimmstenfalls von musternder Neugier, was der Verfasser der "Juristen" von 1979 denn hier wohl vorzubringen gedenke.

Und was brachte er vor? Freundliches, Ernstes, Heiteres, Unbekanntes, Interessantes, Amüsantes, Erwartbares, aus seinem Munde Unerwartetes, zuweilen auch Weitläufiges. Die heutigen Juristen versicherte er seiner Hochachtung, ja einer bewundernden Zuneigung. Es gäbe keinen anderen Stand, der im gleichen Maße zum Zusammenwirken mit dem Künstler berufen sei, wie der des Juristen. Vielhundertmal sei bewiesen, daß aus ihrer "Tagestätigkeit" die großartigste Literatur hervorwachse; keiner sei ihm lieber als der Schriftsteller-Jurist. Und dann seien es die Juristen, die wie niemand sonst berufen und imstande seien, sich der drängenden Probleme dieser Welt mit kräftigen Armen anzunehmen - von der Förderung der Privattheater bis zur Schaffung eines Luftkriegs-Völkerrechts, dessen Fehlen er fruchtlos angemahnt habe. Sie, die Juristen, besäßen Macht und Möglichkeiten - im Gegensatz zum Schriftsteller, dessen schwache Stimme, dessen Rufe ungehört und gänzlich unbeachtet verhallten; das habe er selbst erfahren müssen. Man hörte das und staunte: Die Juristen omnipotent und Hochhuth zur Wirkungslosigkeit verdammt?

Im übrigen kamen seine "Juristen" fast nur am Rande, als vornehmlich historische Reminiszens von Bühnenerfahrung, in eher beiläufigen Sentenzen vor .....

Der Schlußapplaus setzte freundlich und kräftig ein, schwoll an und gewann, zumal angesichts der drangvollen Enge, offenbar das Gewicht einer "abschließenden Verfügung". Jedenfalls trübte keine Diskussion die Harmonie, und Herr Dr. Makowka zog das Fazit, es sei ein großer Abend gewesen.

Der Autor signierte im Flur eigene Werke; eine Weile herrschte - bei Getränken und Gebäck - treibendes Gedränge, lebhafte Enge und lautes Stimmengewirr. Dann verlief es sich draußen am Sievekingplatz im leisen Geniesel, und das alte Ziviljustizgebäude lag im Dunkeln, wie man es kennt: sachlich, grau und etwas verwohnt. Nur die Bildergalerien in Fluren und Aufgängen gemahnten noch daran, daß es - wie von der Schirmherrin eingangs erläutert - ein Oberbegriff ist, unter den der Verfasser der "Juristen" und die Träger der schwarzen Roben gemeinsam subsumierbar sind: Kultur. Ein Begriff also und eine freundliche Erinnerung: wenn das nichts ist!