Herr Dr. Remé wurde im Dezember 1953 zunächst als Staatsanwalt in den hamburgischen Justizdienst übernommen. Nach vorübergehender Tätigkeit in den Jahren 1955/56 als persönlicher Referent des früheren Senators der Baubehörde, später Polizeisenator v. Fisenne (im einzig von der CDU unter Bürgermeister Dr. Sieveking geführten Senat), wechselte er im Februar 1956 als Landgerichtsrat zum Landgericht Hamburg. Hier war er in verschiedenen Zivil- und Strafkammern tätig, zuletzt als Untersuchungsrichter vornehmlich in NSG-Sachen. Am 01.06.1967 wurde er zum Landgerichtsdirektor ernannt. In dieser Funktion war er von 1969 Vorsitzender der Zivilkammer 8, ab Juli 1977 bis zu seiner Pensionierung am 31.12.1981 Vorsitzender der Großen Strafkammer 24.
Herr Dr. Remé war während des Krieges Offizier und wurde schwer verwundet. Unter den schwierigen Verhältnissen der Nachkriegszeit nahm er das juristische Studium auf. Dr. Remé hatte schon damals eine Familie mit zwei Kindern (der 3. Sohn wurde 1956 geboren). Das Studium und die Referendarzeit waren geprägt durch wirtschaftliche Not und kümmerliche Wohnverhältnisse. Gleichwohl bestand er beide Examina mit Prädikat.
Ich lernte Herrn Dr. Remé als ungewöhnlich engagierten Kollegen kennen. Im Richterrat - dessen Vorsitzender er zeitweise war - kämpfte er u.a. für eine bessere Ausstattung der Richterzimmer, als langjähriges Vorstandsmitglied des Hamburgischen Richtervereins für bessere Pensen und eine wirksamere Außendarstellung der Richter und Staatsanwälte. Herr Dr. Remé ging keiner Auseinandersetzung aus dem Wege, er hatte zahlreiche Kritiker. Er war aber auch ein Mann "ohne Furcht vor Königs-thronen". Er griff gern zur Feder. Unter dem Eindruck seiner Tätigkeit als Beisitzer in der Großen Strafkammer 4 (Jugendkammer) schrieb er das Buch "Die Halbstarken", in das er auch seine Kriegserlebnisse einflocht. Mit der Bewältigung seines Kriegsschicksals und seiner unerfüllten Träume machte er es sich nicht leicht. Gern sprach er von Helmut Schmidt, mit dem er zusammen zur Schule gegangen war. Seinen Richterberuf empfand er als ein Stück Berufung. Je älter und nachdenklicher er wurde, um so mehr widmete er sich als Strafrichter dem Schicksal der Angeklagten und begegnete den sich schon damals entwickelnden sog. Konfliktstrategien mancher Anwälte mit Respekt und Verständnis. Fair zu sein und fair behandelt zu werden, war für ihn ein wesentliches Thema. Ein Verteidiger schrieb ihm Ende 1980 nach Abschluß eines Verfahrens:
"Erlauben Sie mir, Ihnen auch das noch zu sagen: Es gibt nur wenige Vorsitzende, die in der Lage sind, so gelassen, verständnisvoll, überlegen und mit Humor zu verhandeln. Es ist ein Genuß, bei Ihnen zu verteidigen, und ich freue mich auf den nächsten Gang."
Nach seiner Pensionierung schrieb
er an seinen Lebenserinnerungen, die er gern veröffentlichen wollte.
Einen Teil davon durfte ich lesen. Dr. Remé konnte eindrucksvoll
schreiben. Seine Reisebeschreibungen, insbesondere die Darstellungen seiner
Empfindungen nach der Amputation seines linken Unterschenkels im Kriegslazarett
sind mir noch heute in Erinnerung. Im Mittelpunkt seines Lebens
und Denkens stand aber seine
Familie, seine Frau, die vor ihm verstarb und die Teilhabe an der Entwicklung
seiner drei Söhne.
Mit Dr. Remé ist ein Kollege gegangen, der in seiner aktiven Zeit dem oft grauen Alltag der Justiz durch seinen Mut zum Bekennen viel Farbe gegeben hat.
Roland Makowka