(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/98) < home RiV >
Der Tempel ist tot,
es lebe das Design

In seiner letzten Sitzung am 26. 8.1998 entschied sich der Vorstand der Hamburgischen Richtervereins, das Tempel-LOGO seiner Veranstaltungsreihe Kultur & Justiz künftig nicht mehr zu verwenden und sich für die Ankündigung von Veranstaltungen eines "moderneren" und "professionalisierteren" Designs zu bedienen. Die Mehrheit der Vorstandsmitglieder meinte, der Sinngehalt der Zeichnung - wenn er denn überhaupt noch verständlich sei - sei durch die Zeitläufte überholt.

Den Fortgang der Zeit nehmen wir selten wahr. Er manifestiert sich meist schlaglichtartig bei kleinen Anlässen. So auch hier. Diejenigen unter uns, die die Gründung der Arbeitsgruppe Kultur & Justiz miterlebt haben, erinnern sich an jene ersten Jahre. Diejenigen, die Kultur & Justiz heute verdienstvoll mit Leben füllen, und denen an dieser Stelle für ihr Engagement zu danken ist, sehen die Gegenwart. Und das ist richtig so. Die Veranstaltungsreihe hat ihren Charakter verändert und sich aus den liebenswerten Kinderschuhen gelöst.

Gleichwohl sei mir als einem der Gründungsmitglieder des Arbeitskreises "Kultur & Justiz" Bedauern über die Veränderung und einige Gedanken zur Historie gestattet.

Am 25. Januar 1985 wurde die Veranstaltungsreihe "Kultur & Justiz" mit einer Lesung Rolf Hochhuths eröffnet. Günter Bertram schrieb darüber in MHR 1/85:

"Kann es einen schöneren Auftakt geben als ein volles Haus? Der Plenarsaal des Ziviljustizgebäudes war brechend voll; man stand auch an den Wänden, stand draußen vor der Tür, im Gang, wohin das Innenleben des Saales mit Lautsprechern übertragen wurde.

Dr. Makowka begrüßte Rolf Hochhuth, der sich in die Löwenhöhle der "furchtbaren Juristen" gewagt habe, hieß auch Frau Senatorin Leithäuser als die Schirmherrin der Veranstaltungsreihe willkommen, die dann einige Bemerkungen grundsätzlicher Natur über Kultur und Recht, ihre Spannung und innere Verknüpfung machte.....".

Die Veranstaltungsreihe fand ihr Gesicht in der Tempeldarstellung des Blankeneser Zeichenlehrers Peter Jens. Er hatte uns die Verwendung des Logo gegen einen Betrag gestattet, der lächerlich gering war, aber doch schon die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten erreichte. 1985 war dieses Logo für eine Veranstaltungsreihe der Justiz heiß umstritten. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft setzten es jedoch durch. Die acht Säulen des Justiztempels sind Richter - Männer, wie es damals dem generellen Erscheinungsbild der Justiz entsprach. Sechs der Kahlköpfigen sind vorbildliche Stützen des Gebäudes. Der siebte - schwarzbärtiger junger Alternativer - verweigert sich - die achtundsechziger Revolution hat die Justiz erreicht und droht, sie mitsamt den kollegialen Dachreitern zum Einsturz zu bringen. Rettung kommt durch den achten Richter, der das Gebäude abstützt und sich zugleich dem Revoluzzer zuwendet.

Dieses schöne Symbol für die Integration der neuen Gedanken in das bestehende Gebäude der Justiz und die dadurch bewirkte behutsame aber deutliche Veränderung, die wir in den vergangenen 15-20 Jahren in der Hamburger Justiz erleben konnten, erschien mir als etwas Bewahrenswertes. Die aktuelle Diskussion um das Bild mit den jüngeren Kollegen, denen unsere alten Schlachten nichts mehr bedeuten, hat mir gezeigt, daß die Zeit für diese Symbolik aber vorbei ist.

Die Justiz ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Kräfte. In ihr, wie in unserem Umfeld auch sonst, ist die Freiheit schier grenzenlos. Wogegen sollte man opponieren? Die Einladungen an den Grafiker Klaus Staeck, den Strafverteidiger von Plottnitz oder an Rolf Hochhuth waren mit Widerstand und Diskussion verbunden. Lädt man einen Gast ein, der ständig mit der Frankfurter Justiz um seine Plakate streitet? Konnten Richter den Autor des Buches über einen "schrecklichen Juristen" zu sich laden? Das waren damals tatsächlich streitige Fragen. Heute kommen sie niemandem mehr in den Sinn.

Wenn der ursprüngliche gedankliche Ansatz nicht mehr nachvollzogen wird, ist der Tempel nichts als eine nette Zeichnung, die es nicht rechtfertigt, die Ambitionen eines richterlichen Kulturmanagements zu tragen. Verabschieden wir also den Tempel. An das, was an seine Stelle getreten ist, werden sich alle gewöhnen müssen.

Karin Wiedemann

PS: Das neue LOGO kann hier nicht wiedergegeben werden. Die elegante rosenholzfarbene Silhouette der Grundbuchhalle entzieht sich den einfachen und preiswerten Mitteln, mit denen MHR hergestellt wird. Angesichts dieser unüberwindlichen technischen Schwierigkeiten verwendet MHR einstweilen weiterhin den Tempel.

PS der Homepage: Aber auf der Homepage kann das neue Logo wiedergegeben werden: