(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/08, 2 ) < home RiV >
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
die Presse vom 17.10.08 (dito) berichtete, dass Justizsenator Steffen im Richterwahlausschuss durchgesetzt habe, dass zwei R2-Stellen mit Grünen, die aktiv in parteipolitischen Gremien tätig gewesen waren, besetzt wurden. Das soll hier nicht bewertet werden, weil einem Editorial-Schreiber als Nichtmitglied des RWA die genauen Fakten des Vorgangs selbstverständlich nicht über das in der Presse Verlautbarte hinaus bekannt sind.
Das sei aber zum Anlass genommen, daran zu erinnern, welche Überzeugungen abstrakt-generell in der Gesellschaft zu parteipolitischer Tätigkeit von Richtern vorhanden sind.
Damit ist nicht erst das Verbot einer Bevorzugung von Parteifreunden (Ämterpatronage) gemeint, deren Unzulässigkeit nicht nur Allgemeingut des öffentlichen Denkens ist
- vgl. die Leitlinien des Deutschen Richterbunds von 1978; und auch der jetzige Justizsenator, der damals als rechtspolitischer Sprecher der GAL fungierte, erkannte „schwarzen Filz“, als im Jahre 2005 auf Vorschlag Kuschs eine Referentin der CDU-Bürgerschaftsfraktion zur Richterin ernannte wurde (Die WELT vom 19.8.05) -
sondern durch das Prinzip der Bestenauslese auch in der Verfassung verankert ist (Art. 33 Abs. 2 GG).
Vielmehr kann es zu derartigen Problematiken erst kommen, wenn Richter sich in politischen Parteien engagieren. Und da wirft sich die früher häufiger als heute gestellte Frage wieder auf, ob Richter das überhaupt tun sollten. Einerseits gibt es das Jedermannsrecht auf politische Teilhabe; andererseits wird niemand gezwungen, ein Recht auch in Anspruch zu nehmen. Ist Grenze nur das dienstrechtliche Mäßigungsgebot oder gibt es auch eine Richterethik nach dem Motto: „So etwas tut man als Richter nicht“? Für Letzteres spricht, dass selten jemand seine Parteimitgliedschaft zu erkennen gibt. Doch was soll man nicht tun?: Parteimitglied sein oder in der / für die Partei aktiv sein oder daraus Nutzen ziehen? Wenn man überhaupt eine Richterethik diskutiert (vgl. allgemein in diesem Heft Seite 4), dann muss das Thema Parteipolitik zwingend Bestandteil jener Diskussion sein.
Die Europäische Richtervereinigung – der der DRB angehört – postuliert, dass Richter nicht einmal Mitglied einer Partei sein dürfen und in Frankreich, England, Österreich, Belgien und Luxemburg ist Richtern jegliche parteipolitische Tätigkeit verboten (Schmidt, ZRP 2008, 242; soweit er auch die Schweiz dazu zählt, dürfte dies mit Zweifeln behaftet sein). Gleiches gilt für russische Richter qua vom Richterrat beschlossenem Ehrenkodex. Vorsichtiger formuliert der Beirat der Europäischen Richter (CCJE; vgl. zu ihm in diesem Heft Seite 30) in seiner Stellungnahme Nr. 3 vom 19.11.02.
Schills politische Instrumentalisierung seiner eigenen Rechtsprechung für die Gründung seiner Partei hätte schon damals einen guten Nährboden für derartige Überlegungen auch in Deutschland abgeben können.
In dem eingangs genannten Fall soll im RWA laut Presse die Diskussion der Selbstverwaltung herangezogen worden sein, weil der Senator in einem der beiden Fälle vom Vorschlag der OLG-Präsidentin abgewichen sei. Erinnerungen an den vormaligen Streit zwischen den Gerichtspräsidenten und dem damaligen Justizsenator über die Einflussverteilung in der Vorschlagsphase (MHR 1/2006, 3) werden wach.
Mancher verspricht sich von der Einführung der Selbstverwaltung der Justiz (vgl. hierzu in diesem Heft Seite 5) eine Verhinderung parteipolitischer Einflussnahme auf die Personalien der Justiz (vgl. den Vorspann des Zweisäulenmodells des DRB und PräsBGH Hirsch, FAZ 21.8.02; skeptisch PräsBVerfG Papier, NJW 2002, 2585). Da darf man schon deshalb skeptisch sein, weil auch nach dem Zweisäulenmodell des DRB ein parteipolitischer Einfluss erhalten bleiben würde, denn der Justizwahlausschuss soll zur Hälfte aus Parlamentariern im Verhältnis der parlamentarischen Sitzverteilung der Parteien bestehen; weiteres Mitglied soll der Parlamentspräsident sein. Dieser Einfluss mag aus Gründen demokratischer Legitimation möglicherweise hinzunehmen sein. Das besagt jedoch noch nichts darüber, in welcher Weise dieser Einfluss ausgeübt werden wird (Berücksichtigung des Parteibuchs?). Über den Alltag von Konkurrentenklagen in Hamburg schrieb soeben die Kollegin Walter vom OVG ein paar Worte in der DRiZ (Heft 11, S. 298).
Frohe Weihnachten wünscht Ihnen
Ihr Wolfgang Hirth